Oldtimer

Walt Grace Vintage in Miami - Heute ein Rockstar

img
Während von der Decke und an den Wänden hunderte Instrumente hängen, aalen sich in Walt Grace Vintage in Miami ein Dutzend Oldtimer im Scheinwerferlicht Foto: SP-X_Benjamin Bessinger

Le Mans oder Les Paul - beide Namen lassen Bill Goldsteins Augen glänzen. Denn der Unternehmer aus Miami ist gleichermaßen Petrolhead und Rockfan - und hat aus seiner Leidenschaft ein Geschäft gemacht: Bei Walt Grace Vintage verkauft er eine einzigartige Mischung aus Oldtimern und Gitarren.

Wer die wirklich coolen Spots in Miami sehen will, der muss ins Wynwood-Viertel kommen. Dort, wo Graffiti-Künstler in einem ehemaligen Industriegebiet ganze Straßenzüge in eine gewaltige Outdoor-Galerie verwandelt haben, pulsiert der Zeitgeist. Modemacher, Designer und Galeristen versuchen hier, den Geschmack der Zukunft zu treffen. Nur einer schlägt die Rolle rückwärts und schreibt ganz demonstrativ Walt Grace Vintage über seinen grauen Laden in der North West 26nd Street: Bill Goldstein. Während seine Nachbarn alle im Morgen leben, predigt er die gute alte Zeit und verkauft Memorabilia der ganz besonderen Art: klassische Autos und alte Gitarren.

Was für andere eine ziemlich wirre Kombination sein mag, ist für ihn das ,,Perfect Match". ,,Schließlich haben wir als Kinder doch alle mal Gitarre spielen gelernt, weil wir Rockstar werden wollten, um uns dann solche Autos kaufen zu können", sagt der Chef und lässt den Blick durch seine gut gefüllte Galerie gleiten. Und wer hier bei Goldstein im Laden steht, der fühlt sich zumindest für ein paar Minuten so, als hätte er es auf die große Bühne geschafft. Während von der Decke und an den Wänden hunderte Instrumente hängen, als träfen sich gleich alle Gitarrengötter der Welt zum großen Finale auf dem Olymp der Rock- und Blues-Musik, und die besonderen Stücke in einem Spielzimmer ausgestellt sind, das wie ein Studio möbliert ist und für spontane Jam-Sessions bereit ist, aalen sich ein Dutzend Oldtimer im Scheinwerferlicht. Und da, wo für ein Auto kein Platz mehr ist, hat Goldstein noch ein paar mächtig getunte Motorräder in die Lücken geschoben.

Im Leben des Chefs haben Karren und Gitarren schon früh eine große Rolle gespielt. Die Liebe zum Auto hat gepackt, als er mit drei Jahren seinen ersten Porsche gesehen hat. Und mit acht Jahren hat er angefangen, Gitarre zu spielen. Schon als Schüler hat er deshalb in einem Musikladen gejobbt. Und weil er zu jung für ein Gehalt war, durfte er sich immer mal wieder eine Klampfe mitnehmen, erinnert sich der berufsjugendliche Fünfziger. Damals nur gebrauchte Instrumente, sind viele davon heute Klassiker und wurden so zum Grundstein seiner Sammlung. Mit den Autos hat es kaum länger gedauert. Mit 18 hat Goldstein seine erste Werbeagentur gegründet und ganz früh auf interaktives Marketing gesetzt, mit 20 hat er sie gewinnbringend verkauft, wurde zum Kreativ- und Strategiechef bei einigen internationalen Agenturen und hatte mit 25 genug Geld verdient, um in Rente zu gehen. ,,Danach hat es lässig für den ersten Porsche gereicht", sagt der Galerist, der heute selbst rumläuft wie seine Idole; am liebsten ausgewaschene Jeans, schwere Stiefel und ein schlichtes T-Shirt trägt. Nur dass es bei jenem 911 Targa S allein nicht geblieben ist. Sondern über die Jahre hat Goldstein über 40 verschiedene Porsche besessen und räumt den Sportwagen aus Stuttgart auch in seinem neuen Leben als Galerist und Spielzeughändler der Besserverdiener den größten Raum ein.

In der aktuellen Ausstellung stehen deshalb neben einem wunderbar kitschigen Pontiac TransAm, einer klassischen Corvette und einem Fiat 500 auch wieder fünf Elfer unterschiedlichster Baumuster und Jahre sowie natürlich ein paar Mercedes SL aus der Reihe 107 und der unumgängliche Ferrari. Nur Dauerbrenner wie der Flügeltürer fehlen zumindest in der aktuellen Kollektion, genau wie die Gitarren der ganz großen Stars. ,,Das hier ist kein Museum", sagt Goldstein. Wer die ganz großen Klassiker sucht, der muss in Sammlungen gehen oder zu den Concorsi. Und wer ein Instrument von Eric Clapton anschauen will, von Prince oder Jimmy Hendrix, der sei bei ihm ebenfalls falsch. ,,Dafür gibt es die Hard Rock Cafés", schimpft Goldstein über zu viel falschen Ruhm, der ablenkt vom Kern der Kunst und schickt die Kundschaft zurück nach Downtown.

Bald zehn Jahre nach der Eröffnung läuft Goldsteins Geschäft mittlerweile blendend: Schon lange, bevor die eigentliche Galerie öffnet, stehen die Leute im angeschlossenen Kaffee Schlange und sobald die Absperrbänder fallen, ergießt sich ein steter Strom an Touristen, Schaulustiger und Kaufinteressenten in den Laden, bis der Zähler kurz vor Ladenschluss oft weit jenseits der 500er Marke steht. Und was Goldstein nicht vor Ort verkauft, das läuft mittlerweile übers Internet. ,,Wir liefern längst in alle Welt", sagt der Gründer. Doch egal, wie bekannt sein Laden mittlerweile ist und wie viel Musik da drinsteckt, muss er eine Frage immer wieder beantworten, woher denn der Name komme? Und immer wieder erzählt er die gleiche Geschichte mit unveränderter Begeisterung: Von jenem Morgen, als er der damals ziemlich erfolgreiche aber genauso frustrierte Werber aus der Dusche stieg und ein Song von John Mayer aus den Boxen plärrte über einen Träumer, der etwas tut, um sein Leben zu ändern. ,,Das war der Moment, in dem ich wusste, dass sich auch mein Leben ändert - und der Tag, an dem ich die Werberei an den Nagel gehängt und die Galerie auf den Weg gebracht habe", sagt Goldstein und verrät mit einem Grinsen den Namen des Protagonisten: ,,Walt Grace" - und der Rest ist Geschichte.

STARTSEITE