Oldtimer

100 Jahre Herkules-Rennen in Kassel - Veteranen am Berg

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Das letzte Bergrennen rund um den Herkules liegt schon eine Ewigkeit zurück, jetzt haben ein paar Enthusiasten die guten alten Zeiten wieder aufleben lassen und zum 100. Geburtstag noch einmal über 50 alte Autos und Motorräder zur Bergprüfung geschickt Foto: SP-X_Benjamin Bessinger

Für die einen sind es nur ein paar gewöhnliche Kurven am Stadtrand. Doch für die anderen ist es die vielleicht schönste Rennstrecke im Land. Denn hier in Kassel-Wilhelmshöhe wurde 1923 der erste Herkules-Bergpreis ausgefahren. Zum 100. Geburtstag haben jetzt noch einmal ein paar Oldtimer den Gipfelsturm gewagt. 

Die Lokalpresse war damals voll des Lobes: ,,Von sportlich und landschaftlich wunderbarem Reiz", schwärmt die ,,Allgemeine Automobil Zeitung", nachdem zum ersten Mal die Rennelite beim Herkules Bergpreis durch die barocken Gärten am Stadtrand von Kassel jagte. ,,Es gibt keine idealere Rennbahn in der ganzen Welt als die Wilhelmshöhe. Kann man sich für eine Rennstunde ein schöneres Panorama denken," jubeln die Chronisten und finden damit allerorten Gehör. Mit dem ersten Bergrennen im Land wird Kassel über Nacht wird zumindest vorübergehend zum Nabel der Rennwelt: Namen wie Rudolf Caracciola, Karl Kappler, Adolf Rosenberger und Carl Jörns stehen auf den Plakaten, von denen stolz die Herkules-Statue winkt.

Die Berichte stammt aus den 1920ern und das letzte Bergrennen rund um den Herkules liegt schon eine Ewigkeit zurück, weil erst die Rundstrecken dem Steigungsstück die Show gestohlen haben und dann die erste Bundesgartenschau, die im Bergpark Wilhelmshöhe ausgetragen wurde. Und selbst die Neuauflagen für Oldtimer sind mittlerweile wieder Geschichte. Doch jetzt haben ein paar Enthusiasten die guten alten Zeiten wieder aufleben lassen und zum 100. Geburtstag noch einmal über 50 alte Autos und Motorräder zur Bergprüfung geschickt.

Sammler aus der Region und von weit her sind gekommen und haben wie damals bei der Erstauflage von 1923 noch einmal Autos wie einen von nur noch 15 erhaltenen BMW Wartburg DA3, einen Bugatti Typ 35, den siegreichen Simson Supra von 1926, ein paar Porsche Spyder oder einen Lotus Eleven durch jene Kurven kurz vor der alten Wache und dem Schlosshotel getrieben, die schon die Kollegen von einst als entscheidend für den Sieg bezeichnet haben: ,,Die nur 4,5 Kilometer lange Rennstrecke lädt bald hinter dem Startbande am Fuße des Berges zu einer weiten, flachen Rechtskurve aus. Diese Wegbiegung ist die Einzige, die ein virtuoser Fahrer mit Vollgas zu nehmen vermag. Sie dürfte demnach auch diejenige sein, in der der Sieg sich eigentlich schon entscheidet. Denn weiter oben wird's fürchterlich. In steiler Steigung, die an einzelnen Stellen bis zu 18 Prozent geht, strebt die Straße bergauf, um in der Höhe des Fußes der Wasserkünste eine ganz enge Haarnadel zu bilden, die sogenannte Kaskadenkurve, die nur die erste von im ganzen vier nicht minder schwierigen Haarnadelkehren ist, deren oberste am Fuße der Zyklopenmauern des Octogon ausläuft, von dessen Höhe der steinerne Riese Herkules, der alte Meister dieses Berges, ruhig an seine Keule gelehnt, auf sein buchen- und tannenumrauschtes Gebiet niederblickt und die Herren vom Steuerrade, die neuen Meister des Berges, willkommen heißt."

Ganz so wild treiben es die Teilnehmer in diesem Jahr nicht mehr - denn anders als vor 100 Jahren ist der Park selbst für die Piloten mit Rücksicht auf seinen Status als UNESCO-Welterbe längst perdu und es geht lediglich auf der Kreisstraße drum herum. Doch schon die Kurven dort sind eng und die Steigungen steil genug, um die alten Motoren gehörig zu fordern und den Sportsgeist der Fahrer zu wecken.

Während das Hier und Heute immer mal wieder für eine halbe Stunde ausgebremst wird und die Neuwagen an der Absperrung warten müssen, dreht die Vergangenheit noch einmal kräftig auf und von Zeit zu Zeit klingt es im Park wieder so wie es die Kollegen von einst beschrieben haben, wenn Lokalmatador Karl Kappler bei der zweiten Auflage von 1924 mit jenem weißen Mercedes 6/40/65 PS und seinem gerade mal 65 PS starken 1,5-Liter-Vierzylinder gen Gipfel gestürmt ist, den eine Berliner Sammlerin wieder zurück an die Stelle seines Wirkens gebracht hat:

,,Sensationell wirkte es schon, wenn die Zuschauer die wundervolle hochtourige Maschine, die sie noch nicht sahen, mit ihrem hellen und hohen, beinahe singenden Sirenenton aus der Ferne herannahen hörten. Und wenn dann Kappler in seiner ruhigen Fahrweise am Steuer des Renn-Kompressors und Carraciola in seiner stürmischen Draufgänger-Art mit seinem Tourenkompressor an ihnen vorbeigingen, dann wussten sie, dass diese beiden, wenn kein Hindernis von außen dazwischentreten würde, die Helden des Tages sein mussten."

Und nein, ein Hindernis kam keinem in den Weg. Für Kappler bedeute die Fahrt mit vier Minuten und sieben Sekunden die Tagesbestzeit und für Carraciola waren die Erfolge in Kassel ein wichtiger Stein auf dem Weg ins Mercedes-Werksteam - und damit zur unbestritten größten deutschen Rennfahrer-Karriere jener Zeit

Heute allerdings starten die Teilnehmer mit umgekehrten Vorzeichen. Waren damals die Fahrer die Helden, so sind es mittlerweile die Maschinen, denen der Ruhm gebührt. Denn für Hundertjährigen ist dieser Berg eine noch viel größere Prüfung. Doch genau wie damals haben die allermeisten von ihnen die Herkules-Aufgabe auch diesmal mit Bravour gemeistert.

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