Oldtimer

40 Jahre Volkswagen Golf II - Gebaut für die Ewigkeit

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Der einstige VW-Chef Carl H. Hahn posiert vor Golf II GTI und Golf G60 Foto: VW

Auf ihn fuhr eine ganze Generation ab: Der Golf gewann die Herzen der Deutschen durch Vielseitigkeit und Verlässlichkeit. Als unzerstörbar robust und rostresistent zeigte er sich allerdings erst 1983 als Golf II. Ein Held des Alltags, der bis heute zum Straßenbild zählt und als GTI, Rallye-Golf oder rauer Allradler zum Kulttyp avancierte 

Die Rekord-Stückzahlen des Ur-Golf verfehlte er knapp, und dennoch entwickelte sich der im August 1983 vorgestellte Volkswagen Golf II zum Mythos in der bald 50-jährigen Geschichte der Wolfsburger Kompaktklasse. Anfangs ging das neue ,,Auto der Nation oder schlicht Deutschlands Nummer eins", wie die VW-Werbung ihren designierten Star nannte, fast unbemerkt auf Erfolgskurs, schließlich sah der Golf II seinem elf Jahre alten Vorgänger fast zum Verwechseln ähnlich, wie Fachmedien meinten. Tatsächlich hatte sich VW-Hausdesigner Herbert Schäfer an den Linien des von Giorgio Giugiaro gezeichneten Ur-Golf orientiert, allerdings wuchs der Golf II in der Länge um stattliche 17 Zentimeter auf 3,98 Meter, und der Radstand erreichte mit 2,48 Meter damaliges Mittelklasseniveau.

Damit konnte der erneuerte Golf in Vergleichstests sogar das VW-Flaggschiff Passat (B2) schlagen, und in der Konkurrenz mit den kompakten Bestsellern von Opel (Kadett), Ford (Escort), Fiat (Ritmo), Renault (11) positionierte er sich als unangefochtener König. ,,Wen wundert's bei den fünf bequemsten Golf-Plätzen der Welt?", freute sich das VW-Marketing. Was aber macht den Golf II zur Ikone unter den bis heute acht Gölfen?     
Anfangs war es die in den 1980ern beispiellose Typenvielfalt aus Kurvenkünstlern wie GTI und G60-Kompressor, agilen Knauser-Dieseln, frühen Katalysator-Benzinern, Kult-Allradler Golf Country, elektrischem CityStromer, Pikes-Peak-Rekordwagen oder kantigem Jetta als frühem China-Volksauto.

Vor allem aber ist es die legendäre Robustheit, mit der dieser unverwüstliche Wolfsburger fast alle Wettbewerber überlebte - eine Resilienz, die alle Defizite des rostanfälligen Golf I vergessen ließ. Für die zweite Generation seines wichtigsten Erfolgsträgers betrieb Volkswagen einen damals beispiellosen Qualitätsaufwand. So wurden die Golf-Hohlräume derart mit Heißwachs geflutet, dass es noch Jahrzehnte später aus Drainageöffnungen in Türen und Heckklappe läuft, manche Motoren - speziell die sparsamen Diesel und ein neuer 1,8-Liter-Benziner - brachten das Potential zum Kilometer-Millionär mit. Als die ersten Golf II ein H-Kennzeichen schmückte, wollte es die Oldtimerszene kaum glauben: Ein Auto, von dem noch über 450.000 Exemplare in Deutschland fahren, als amtlich anerkannter Klassiker? Andererseits verknüpft mit dem 6,3 Millionen Mal gebauten, zweiten Golf eine ganze Generation der Deutschen persönliche Erinnerungen, und so überlebte das Gros dieses Golf für die gefühlte Ewigkeit auch die staatlich geförderte Abwrackaktion im Jahr 2009.

Dieser Volkswagen war das erste Lieblingsauto im wiedervereinigten Deutschland und das letzte Volksauto der alten ,,Bonner Republik". Der Golf II debütierte vor 40 Jahren, als Microsoft mit Windows 1.0 und Motorola mit dem ersten Mobiltelefon überraschte und Helmut Kohl im ersten kompletten Jahr seiner Kanzlerschaft seine viel diskutierte Schrift veröffentlichte: ,,Der Weg zur Wende. Von der Wohlfahrtsgesellschaft zur Leistungsgemeinschaft". Dass es in der DDR nur sechs Jahre später zur politischen Wende kommen sollte, in deren Folge die beiden deutschen Staaten vereinigt wurden, konnte die Menschen aber ebenso wenig vorhersehen wie die überraschende Entwicklung, dass der Golf II am Ende seines Produktzyklus Geschichte schreiben sollte als erstes Wolfsburger Volksauto ,,Made in Mosel bei Zwickau". Ausgerechnet Zwickau, die Heimat des DDR-Kultmobils Trabant. Heute ist das Werk Mosel übrigens ein VW-Leuchtturmprojekt für Elektrofahrzeuge.

Es war der damalige VW-Konzernchef Carl Hahn, ein gebürtiger Chemnitzer, der an das Potential des traditionsreichen Automobilstandorts in Sachsen glaubte. Hahn wollte VWs Rolle als Nummer eins in Europa festigen - und der Golf II übernahm die Schlüsselrolle. Mit Verzögerung sogar in China, wo Carl Hahn 1983 zuerst die lokale Produktion des VW Santana ins Laufen brachte, ehe 1997 dort auch die Fertigung des Jetta, der Stufenheckversion des Golf II, als preiswertes Einstiegsmodell anlief. In Deutschland erreichte der Jetta dagegen nur wenige Kunden, hierzulande faszinierten mehr die drei- und fünftürigen VW Golf mit Motoren, die zu allen Lebenssituationen passten. Ob als Familientransporter, Kilometerfresser für Außendienstler, heißer GTI oder Rennwagen, ob bei Fahrschulen, Polizei oder Notärzten oder Vorreiter für Nachhaltigkeit, dem Golf II war nie etwas zu viel. Dies mit drehzahlsenkendem 4+E-Getriebe (ab 1983), als sparsamem GTD-Turbodiesel im GTI-Gewand (ab 1984), erstem deutschen Einspritzer mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator (ab 1984) und schließlich mit Elektromotor (1989): Im Versuchsträger Golf Hybrid arbeitete ein kombinierter Diesel-Elektro-Antrieb und im in kleiner Serie gebauten CityStromer ein Drehstrommotor, der diesen rein elektrischen Golf auf 100 km/h beschleunigte.

Während die Verbrenner von einem karge 40 kW/55 PS abgebenden 1,3-Liter-Benziner bis zum 1,8-Liter-GTI 16V mit 102 kW/139 PS rangierten, boten die Diesel eine kleinere Bandbreite vom 1,6-Liter-Sauger mit 40 kW/54 PS bis zum gefeierten GTD-Turbodiesel im GTI-Look mit 59 kW/80 PS. Dieser aufgeladene Selbstzünder war nicht nur ein schneller kompakter Ölbrenner, sondern auch Knauserkönig mit einem Normverbrauch von 4,1 Litern. Und wer experimentierfreudig war, gab seinem gutmütigen Diesel Salatöl zu trinken, die Geschichten über diese Versuche in Sachen Nachhaltigkeit füllten Stammtischabende.

Als aufregende Spezialität für die seit 1982 stattfindenden GTI-Treffen am Wörthersee lancierte Volkwagen neben dem GTI 16V den Rallye-Golf mit Kotflügelverbreiterungen, Allradantrieb Syncro und einem 118 kW/160 PS starken G-60-Triebwerk. Damit die Motorsporthomologation erreichte wurde, musste VW 5.000 kostspielige Rallye-Golf innerhalb von zwei Jahren absetzen. Für die Wolfsburger kein Problem. Und dann gab es noch ein Sahnehäubchen: Den Golf Limited, 153 kW/210 PS stark, 230 km/h schnell und in knapp über sechs Sekunden auf Tempo 100: Da war auch ein 911 kaum flotter. Lediglich ein Golf fuhr seiner Zeit zu weit voraus: Der höher gelegte Golf Country mit Offroad-Features und Allradantrieb. Nur knapp 8.000 Einheiten konnte VW von diesem SUV-Pionier verkaufen.

Welche Relevanz der Golf II heute für die Oldtimer-Community hat, erklärt Experte Christoph Pichura von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: ,,Mit der zweiten Auflage des Golf hat VW damals in punkto Qualität und Robustheit in der Kompaktklasse neue Maßstäbe gesetzt, ältere Autofahrer werden sich noch an die Hohlraumversiegelung erinnern, die bei warmem Wetter gut sichtbar und klebrig aus der Heckklappe herauslief - so gut hatten es die Wolfsburger mit der Rostvorsorge gemeint. Neben den seltenen G60- und Limited-Modellen steht auch heute noch das ehemalige Topmodell GTI 16V ganz oben in der Beliebtheitsskala, für ein gutes, unverbasteltes Exemplar muss man mindestens 13.100 Euro bezahlen."



Chronik:
1974: Marktstart des ersten Volkswagen Golf als designiertem Nachfolger des Käfers
1979: Nicht Giugiaro wie beim Golf I, sondern die Wolfsburger Designabteilung definiert die Formen der zweiten Golf-Generation
1983: Nach 6,99 Millionen Golf I debütiert im August der Golf II, zunächst in den Ausstattungsvarianten C, CL und GL. Auf der Frankfurter IAA im September soll die Spitzenversion GLX folgen, wird aber kurzfristig zurückgezogen zugunsten des Golf Carat, der im November startet. Das 1979 vorgestellte Golf Cabrio nutzt weiter die Karosserie und Technik der ersten Golf-Generation, erhält aber massive Kunststoffstoßfänger und Detailmodifikationen
1984: Im Januar läuft die Produktion des Golf GTI an. Außerdem ist der Golf mit 1,8-Liter-Benziner Vorreiter bei Einführung des geregelten Drei-Wege-Katalysators. Einführung der zwei- und viertürigen Stufenheckversionen Jetta
1985: Die zweite Generation des vollelektrischen Golf CityStromer debütiert, dies als Dreisitzer mit Elektromotor. Das Ladekabel befindet sich hinter einer kleinen Klappe im Kühlergrill. Die Auflage des CityStromer beträgt 70 Exemplare, die an Energieunternehmen geliefert werden. Neu sind die Sondermodelle Hit und Match. Der GTI wird optisch nachgeschärft mit zwei Zusatzscheinwerfern für das Fernlicht und roten Linien auf Schutzleisten und Stoßstangen sowie neuem Doppelauspuff. Im Mai wird der GTI 16V mit 16 Ventilen angekündigt
1986: Im Februar startet der Golf in der Allradversion Syncro mit 1,8-Liter-Motor und 90 PS. Serienanlauf für den Golf GTI 16V im März mit 139 PS (ohne Kat) als damals stärkster und schnellster Volkswagen. Ab Spätsommer ist der GTI 16V mit Katalysator und 129 PS lieferbar. ABS für GTI und GTI 16V. Sondermodelle Flair und Fun. Ab Jahresmitte neue Variante Golf GT mit zahlreichen Ausstattungsdetails des GTI, aber nur 90 PS leistendem 1,8-Liter-Vierzylinder. Einstellung des Golf Carat. In den USA wird der Jetta eingeführt
1987: Eine Welle neuer Sondermodelle wird aufgelegt, die Typen Golf Memphis, Special, Tour Sky und Bistro. Im August erfährt der Golf ein optisches und technisches Facelift, jetzt ohne Dreieckfenster in den vorderen Türen, dafür mit nahe der A-Säule angebrachten Außenspiegeln und Kühlergrill mit nur noch fünf Rippen. Das Interieur erhält neue Sitze, dickere Lenkstockschalter und bessere Ausstattungen. Neu ist der Golf Elektro-Hybrid, allerdings geht er noch nicht in Großserie. Der 1,6-Liter-Diesel-Hybrid plus E-Motor begnügt sich mit 2,5 Liter Diesel und 16,3 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer
1988: In Starblue und mit blaugetönter Verglasung startet das Sondermodell ,,10 Millionen Golf" anlässlich des Jubiläums zehn Millionen produzierter Golf I und Golf II. Neu ist auch das Sondermodell Manhattan. Hinzu kommen Golf GT und GTD Special, u.a. in der Porsche-Sonderlackierung Oakgrünmetallic und mit auffälligen 15-Zoll-BBS-Rädern im Kreuzspeichendesign
1989: Neu sind die Sondermodelle Boston und GTI Edition One. Letztes Facelift für den Golf II im August, u.a. mit neuen großen Stoßfängern für GL und GTI sowie neuen Sitzen. Außerdem debütiert die Sonderserie Golf Limited mit 16V-G60-Motor mit 210 PS und Allradantrieb zu Preisen von rund 70.000 Mark. Schon im März erfolgte der Serienstart des Golf G60 Rallye mit 160 PS, verbreiteter Karosserie und permanentem Allradantrieb. Eine Weltneuheit ist der optionale Oxidationskatalysator beim Saugdiesel. Der Golf Syncro erhält eine Leistungssteigerung auf 98 PS, und der Golf GTD leistet nun mit Ladeluftkühler 80 PS
1990: Frische Sondermodelle Madison, Moda, Fire and Ice. Im April erfolgt der Marktstart des Golf Country mit Allradantrieb und Offroadoptik sowie knapp 20 Zentimeter Bodenfreiheit. Im Juli erscheint das auf 160 Einheiten limitierte Sondermodell Golf Country Allround mit Kunstledersitzen in der Farbe Waldgrün. Start des Golf GTI G60 mit elektronischer Einspritzung und Spiralladung und 160 PS Leistung. Im November wird der millionste Golf GTI ausgeliefert
1991: Im Januar wird das tiefschwarz lackierte Sondermodell Golf Country Chrom Edition in einer Auflage von 558 Einheiten aufgelegt. Zum Abschied des Golf II gibt es die Sondermodelle GTI Edition Blue und Pasadena. Im Sommer endet die Produktion des Golf im Werk Wolfsburg. Markteinführung des Golf III. Im November startet in China die Produktion des Jetta II als FAW-VW Jetta. Im Dezember wird die Produktion des Country eingestellt, nach insgesamt 7.735 Fahrzeugen. Letztes Sondermodell Wolfsburg Edition als Golf Country mit 107 PS starkem GTI-Motor, der in 50 Einheiten an Werksangehörige verkauft wird. Insgesamt 628.000 VW Golf II GTI wurden von 1984 bis 1991 gebaut. Nur das Sondermodell Function wird noch im Werk Mosel bei Zwickau gebaut
1992: Nach insgesamt 6.301.000 Einheiten endet die Golf-II-Produktion im Dezember im Werk Mosel bei Zwickau, nachdem in Wolfsburg schon Mitte 1991 der Generationenwechsel erfolgte
1997: In China entwickelt sich die Stufenheckversion des Golf II, der Jetta, als FAW-Volkswagen Jetta zum Bestseller, der bis 2013 in Produktion bleibt
2012: Zwanzig Jahre nach Produktionseinstellung sind in Deutschland noch immer 450.000 Golf II zugelassen
2013: Erst in diesem Frühjahr endet die Herstellung von Jetta-II-Versionen in China
2022: Nun ist der Golf II in allen Jahrgängen Kandidat für ein amtliches H-Kennzeichen
2023: Der Golf II wird 40 und Volkswagen würdigt dieses Jubiläum mit verschiedenen Aktionen.

Wichtige Motorisierungen:
1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (40 kW/55 PS)
1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (51 kW/70 PS bzw. 55 kW/75 PS)
1,6-Liter-Cabrio-Vierzylinder-Benziner (53 kW/72 PS)
1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (51 kW/70 PS bzw. 53 kW/72 PS bzw. 66 kW/90 PS)
1,8-Liter-Country/Syncro/Cabrio-Vierzylinder-Benziner (72 kW/98 PS)
1,8-Liter-GTI-Vierzylinder-Benziner (79 kW/107 PS bzw. 82 kW/112 PS)
1,8-Liter-GTI-16V-Vierzylinder-Benziner (95 kW/129 PS bzw. 102 kW/139 PS)
1,8-Liter-GTI-G60- bzw. -Rallye-Golf-Vierzylinder-Benziner (118 kW/160 PS)
1,8-Liter-GTI-G60-Limited-Vierzylinder-Benziner (154 kW/210 PS)
1,6-Liter-Vierzylinder-Diesel (40 kW/54 PS)
1,6-Liter-TD/GTD-Vierzylinder-Turbo-Diesel (44 kW/60 PS bzw. 51 kW/70 PS bzw. 59 kW/80 PS).

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