Motorrad

Test: Zero SR/S - Fährt gut, lädt schlecht

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Die Fahrleistungen der SR-S sind top und ihr E-Antrieb ist ebenso teuer wie exklusiv Foto: fbn

Die elektrisch angetriebene Zero SR/S ist das Ergebnis langjähriger Weiterentwicklung durch die kalifornischen Ingenieure. Wenn nur die leidige Reichweite nicht wäre.

Im Jahr 2010 wurde das bereits am Horizont absehbare Zeitalter der Elektromobilität erstmals auch im Zweiradbereich nicht nur sicht-, sondern in Form der Zero SR auch fahrbar. Aber die Enttäuschung folgte auf dem Fuße: Die Reichweite war trotz damals noch gemäßigter Motorleistung nicht nur bescheiden, sondern - schlimmer noch - nicht berechenbar. Zwar gab es schon zwei Anzeigen im Cockpit, auf denen die zu erwartende Reichweite sowie der Ladestand des Akkus angezeigt wurden, doch waren deren Angaben vollkommen unzuverlässig. Aber auch die motorradtypischen Komponenten des Fahrzeugs waren, teils sogar deutlich, unter dem damaligen Standard. Kurz: Eine Zero vor 13 Jahren war noch nicht mal ansatzweise ernst zunehmen.

Das ist im Jahr 2023 vollkommen anders. Zero hat im Lauf der Zeit eine intensive Entwicklung in die richtige Richtung absolviert. Insbesondere am Beispiel des Modells SR/S zeigt Zero, dass man mit etablierten Motorradherstellern nicht nur mithalten, sondern sie im E-Segment sogar in Teilbereichen überbieten kann. Das betrifft nicht alleine den E-Antrieb, sondern auch das Motorrad als Ganzes: Fahrwerk, Bremsen, Assistenzsysteme, Ausstattung - die SR/S verdient sich rundum gute Noten. Freilich ist sie mit ihrem Preis von 26.500 Euro auch ganz und gar kein billiges Motorrad, sondern liegt auf dem Niveau einer Ducati Multistrada V4 S, einer BMW M 1000 R oder einer KTM 1290 Super Duke GT. Auch wenn die genannten Fahrzeuge allesamt mehr Leistung bieten, so befindet sich die Zero dennoch zurecht in dieser Klasse: Ihre Fahrleistungen sind top und ihr E-Antrieb ist ebenso teuer wie exklusiv.

Ihre Nominalleistung von 40 kW/54 PS ist, verglichen mit den 210 PS der BMW M 1000 R eine Lachnummer, doch im Beschleunigungsrennen verliert die Zero dennoch nicht, weil ihr Drehmoment von 190 Nm eben schon ab ,,Leerlauf" anliegt. In der Praxis bedeutet das: Die Zero zieht jederzeit jede Wurst von jedem Teller, und zwar ohne Gedenksekunde und ohne jegliche Einschränkung. Erfreulicherweise zeigt sich das Fahrwerk - Stahlgitterrohrrahmen, einstellbare Showa-Komponenten vorne und hinten, Radialbremsanlage sowie Bosch Motorrad Stabilitätssystem - allen Anforderungen gewachsen: Das E-Motorrad mit einer sportiv-komfortablen Grundabstimmung überzeugt auch bei sportlicher Fahrweise. Auch die Handlichkeit gefällt; das eine Zusatzkilo gegenüber der KTM Super Duke GT (234 zu 235 Kilo) ist natürlich nicht spürbar.

Sehr wesentlich ist bei einem E-Motorrad auch das Lade- und Energiespeichersystem. Und obwohl die Zero SR/S über einen mit nominell 17,3 kWh großvolumigen und auch leistungsfähigen Akku verfügt, ist dieser Bereich ihre Achillesferse. Denn länger als zwei Stunden am Stück kann man mit dem Sporttourer bei einigermaßen artgerechter Fahrweise kaum unterwegs sein, was nach zumeist 150, höchstens aber 170 Kilometern eine angezeigte (und realistische!) Restreichweite von etwa zehn Kilometer zur Folge hat. Wobei der sorgsame Blick auf die Instrumente anhaltendem Fahrspaß natürlich nicht förderlich ist. So weit, so problematisch.

Was jetzt folgt, ist absolut ebenfalls zäh, relativ aber gar nicht so übel. An der Haushaltssteckdose vergehen rund viereinhalb Stunden, bis der Akku wieder voll ist. Das ist viel Zeit, aber es könnte schlimmer sein, denn eine zur selben Zeit verfügbare Livewire One mit ähnlichen Leistungswerten brauchte stets über 12 Stunden. Steht für die Zero eine Level-2-Lademöglichkeit (11 kW) zur Verfügung, reduziert sich der nötige Zeitaufwand für die Ladung von 0 auf 95 % auf zweieinhalb Stunden, weil das integrierte Ladegerät eine Leistung von ,,nur" 6,6 kW hat. Auch mit 22 kW geht es nur dann in der Minimalzeit von 1:15 Stunden, wenn der optionale Schnelllader installiert worden ist; das kostet nicht nur Geld, sondern auch den im praktischen Leben vorzüglich nutzbaren ,,Tank"-Stauraum. Im Testzeitraum war schnelles Laden wegen der miserablen Ladeinfrastruktur leider nicht ein einziges Mal möglich.

Das Fazit ist also ein gespaltenes: Die als Motorrad wirklich angenehme Zero SR/S bietet extrem hohen Fahrspaß, hinterlässt ihren Fahrer aber ratlos, sofern er über die Ladesäulen-Situation in seiner engeren und weiteren Umgebung nicht allerbeste Kenntnisse hat. Auf gut Glück irgendwo hinzufahren, wo es laut Internet eine Ladesäule gibt, muss zwar nicht böse enden, kann es aber: Der Autor hat vier gescheiterte Ladeversuche in Reihe absolviert, bevor er die Waffen streckte - und wieder an einer Haushaltssteckdose geladen hat.



Wichtige technische Daten Zero SR/S:

Radstand 145 cm, Sitzhöhe 78, cm, Federweg v./h. 120/140 mm, Gewicht 235 kg, Zuladung 219 kg;

Motorleistung Dauer/max. 40 kW/PS Dauerlast, 82 kW/110 PS max, max. Drehmoment 190 Nm; Akku 15,2 kWh (netto), Gleichstrom-Schnellladung 0-95 % in 60 Minuten, Level-1-Ladung 2,7 Std.; Reichweite Stadt 301 km, kombiniert 229 km, Autobahn (89 km/h) 183 km.

Praxis-Reichweite 159 km; Praxis-Ladezeit (Level 1) 4:47 Std. (9-100 %).

Preis ab 26.415 Euro, Garantie Akku 5 Jahre.

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