Neuheit

Test: Mercedes E 400e 4Matic Limousine - Ein Kompromiss der besseren Art

img
Für das urbane Umfeld ist der Mercedes E 400e gut gerüstet, denn sein E-Antrieb erlaubt über längere Distanzen hinweg emissionsfreies Fahren Foto: Mercedes-Benz

Die E-Klasse ist eine Ikone des deutschen Automobilbaus und überflüssigen Modernitäten eher abgeneigt. Für Liebhaber elektrischer Antriebe gibt's schließlich den EQE. Aber Mercedes für sein Modell der Oberklasse ja doch Plug-in-Hybride im Angebot. Und die haben vielen anderen Fahrzeugen dieser Art eine wichtige Eigenschaft voraus.

Ehrlich gesagt haben uns die meisten Plug-in-Hybride bisher eher enttäuscht. Häufig mal werden bei den Verbrennern nicht die passendsten Motoren eingesetzt und die echten elektrischen Reichweiten sind meist ernüchternd, 30 bis maximal 40 Kilometer durfte man wegen der kleinen Akkus lange Zeit maximal erwarten. Zu früh springt dann meist der Verbrenner an und angesichts des Gewichts der doppelt motorisierten Fahrzeuge ist deren Sprit-Verbrauch dann zu hoch.

Mercedes war die erste Marke, die mit größeren Akkus auch endlich vernünftige rein elektrische Reichweiten möglich machte. So auch in der von uns getesteten Limousine der E-Klasse, in der größeren der zwei möglichen Varianten als E 400e 4Matic, wobei das kleine ,,e" eben auf dessen Plug-in-Eigenschaft hinweist. Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Tests daher vorab: Zwischen 95 und 111 Kilometer geben die Schwaben als maximal mögliche rein elektrische Reichweite an. Zwischen 70 und 80 Kilometer waren es teils winterlichen Temperaturen bei uns. Wobei man für die 80 Kilometer schon recht feinfühlig mit dem Gasfuß umgehen muss.

Trotzdem: Fährt man beispielsweise 30 Kilometer zur Arbeit und hat die Möglichkeit, am Arbeitsplatz oder zu Hause zu laden, reicht die Kapazität locker aus und man hat sogar noch etwas Reserve. Und morgen ist dann wieder ein neuer (Lade-)Tag. Nur so ist ein Plug-in eine sinnvolle Kauf-Überlegung.

Zumal diese E-Klasse in der Version 400e üppig motorisiert ist. Der 2,0-Liter Benziner steht schon mit 185 kW/252 PS zu Buche, der E-Motor steuert weitere 95 kW/129 PS bei, was - einfache Addition - maximal 280 kW/381 PS ergibt und diese Variante gemeinsam mit dem 450er-Benziner und abgesehen von der AMG-Version sogar zur leistungsstärksten E-Klasse macht. Da versteht man auch, warum Mercedes den 400e nur mit Allradantrieb ausgibt.

Die Kraft des Antriebs fließt aber gefühlt vor allem in sanften Komfort. Natürlich kann man mit der Limousine auf der Autobahn auch schnell unterwegs sein, 250 km/h sind drin. Beschleunigung ist nicht das Problem des Fahrzeugs, 5,3 Sekunden für den Spurt auf 100 km/h sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Der Motor ist also willig, aber er wird beim allzu starkem auf Gaspedal auch laut, was sogar nicht zum Fahrzeug passt. Und wer es etwa auf einer Bergstrecke mal richtig dynamisch angehen will, kann das von Haus aus harmonische Zusammenspiel von Verbrenner und E-Motor auch kurzzeitig durcheinanderbringen. Herauszuheben sind die Bremsen, einerseits weil sie tolle Leistungen erbringen und das immerhin fast 2,3 Tonnen zuverlässig und wenn es sein muss auch brachial entschleunigen, andererseits aber auch, weil das Bremsgefühlt etwas synthetisch ausfällt.

Die Stärke einer E-Klasse liegt auch in der sechsten Generation beim Komfort. Vor allem, wenn man es nicht bei den rund 80.400 Euro in der Preisliste belässt, sondern Dinge wie die Luftfederung und die Hinterachslenkung dazu ordert. Die eine Option sorgt für allerfeinsten Fahrkomfort selbst auf eigentlich ungemütlichem Belag, die andere für eine verblüffende Agilität. Dank der bis 4,5 Grad Einlenkwinkel hinten, wird zum Beispiel der Wendekreis von 12 auf 11 Meter reduziert, was sehr viel mehr ausmacht, als es sich liest. Auch rangieren, etwa in engen Parkhäusern, wird hier (fast) zum Vergnügen. Denn die fast 5 Meter Außenlänge und 2,07 Meter Breite inklusive Außenspiegeln kann natürlich kein noch so ausgefuchste Technik wegzaubern.

Ansonsten bietet der Mercedes das, was man von einem Mercedes erwartet. Vor allem allerbeste Verarbeitung, tolle Sitze und - allerdings auch wieder nur gegen Aufpreis - den ,,Super Screen", der neben dem unter Glas befindlichen Zentralmonitor auch einen eigenen Bildschirm für den Beifahrer umfasst. Sehr beeindruckend, aber ob man die knapp 1.800 Euro wirklich dafür ausgeben muss, könnte hinterfragt werden.

Größtes Manko bei Kauf eines Plug-ins der E-Klasse ist der Verlust an Ladefläche im Kofferraum. Von den ausreichenden 540 Liter in den Versionen mit Verbrenner bleiben im Plug-in gerade nochmal 370 Liter übrig, ein Verlust von 170 Litern oder knapp einem Drittel des Normvolumens. Bei zwei weiteren Personen auf den üppig bepolsterten Rücksitzen ist mehr als ein Wochenendtrip in diesem großen Auto nicht oder nur mit kleinem Gepäck drin. 

Kommen wir noch mal zurück zum elektrischen Teil des Plug-ins. Aus der 25,4 kW/h großen Batterie stehen 19,5 für den reinen E-Betrieb zur Verfügung. Laden kann die E-Klasse entweder mit 11 kW an der Wallbox oder mit bis zu 55 kW am Schnelllader, wobei diese Funktion erst im Menü aktiviert werden muss. Die offiziellen Verbräuche sind Nonsens, daher werden wir sie hier vernachlässigen. Wer mit der E-Klasse auf längere Reisen geht, kann bis zu 700 Kilometer Reichweite herausholen, da das Fahrzeug dann meist im Hybrid-Modus läuft. Wer im Alltag nur elektrisch fahren will, mag wie erwähnt bei vorsichtiger Fahrweise 80, vielleicht auch mal 90 Kilometer rauskitzeln. Ist der Akku leer und das Auto wird flott bewegt, steigt der Verbrauch angesichts des Gewichts natürlich stark an und kann dann auch schon mal zweistellig werden.

Ein Plug-in ist ein Kompromiss aus alter und neuer Welt. Dieser Mercedes ist aber einer der besseren Kompromisse. Denn: Für wen ein solches Fahrzeug im Alltag passt, etwa weil die Entfernung zum Arbeitsplatz und zurück rein elektrisch gefahren wird, wird an vielen Tagen des Jahres ohne Verbrenner unterwegs sein. Und er genießt andererseits (fast) alle Vorzüge eines sehr gut gemachten, wenn auch sehr teuren Autos.  



Mercedes E 400e 4Matic Limousine - Technische Daten:

Viertürige, fünfsitzige Limousine der Oberklasse; Länge: 4,95 Meter, Breite: 1,88 Meter (mit Außenspiegeln: 2,07 Meter), Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,96 Meter, Kofferraumvolumen: 370 Liter

2,0-Liter-Benzinmotor (185 kW/252 PS) + Elektromotor (95 kW/129 PS), Systemleistung: 280 kW/381 PS, maximales Drehmoment: 650 Nm, Allradantrieb, Neunstufen-Automatik, 0-100 km/h: 5,3 s, Vmax: 250 km/h

Elektrische Reichweite: 95 - 111 km, Verbrauch elektrisch: 19,2 - 21,5 kW/h je 100 Kilometer, Ladedauer (DC) 10-80 %: 20 Minuten, Testverbrauch: ca. 25 kW/h bei reinem E-Betrieb, ca. 9,5 Liter bei leerer Batterie

Preis ab: 80.242 Euro

Testwagenpreis: 95.350 Euro



Mercedes E 400e 4Matic Limousine - Kurzcharakteristik:

Warum: äußerst komfortabel, für die Größe agil, für ein Plug-in-Modell hohe rein elektrische Reichweite

Warum nicht: teuer in Anschaffung und Unterhalt, für die Größe viel zu kleiner Kofferraum, synthetisches Bremsgefühl, nur zwei Jahre Garantie

Was sonst: für mehr Reichweite den Diesel, für mehr Platz das T-Modell, für mehr E den EQE

STARTSEITE