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Vor 40 Jahren: Allrad für alle vom Fiat Panda bis zum Porsche 959 - Das große 4x4 frecher Allrad-Typ

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Der Alfa Romeo 33 zählte zu den vielleicht schönsten Allradmodellen seiner Zeit Foto: Alfa Romeo

Ob für Förster im weißen Winterwald, den heißen Wüstenritt oder mehr Traktion im PS-starken Hypercar, im Jahr 1984 eroberte der Allradantrieb endgültig alle Fahrzeugklassen. Rund 70 Allrad-Typen vom winzigen Subaru-Sechssitzer über wilde Kraftzwerge bis zum ultrateuren Porsche-Technologieträger sorgten für Furore

Auf allen vieren in die Zukunft fahren, das wollten sie fast alle, damals in den Hightech-verrückten 1980ern. Allradantrieb, am besten kombiniert mit Turbo-Power aus neuen 16-Ventil-Motoren galt als Garant für mehr Sicherheit und bahnbrechenden Fahrspaß, da waren sich die Autobauer einig. Rallye-Superstar Walter Röhrl erwies sich bei der Monte Carlo 1984 erstmals mit dem Audi quattro als unschlagbar, und plötzlich rollten wilde Gruppe-B-Monster mit 4x4-Technik auch in die Schauräume der Händler. Etwa der krasse Krawall-Mini Peugeot 205 Turbo 16, der Anfang 1984 mit 316 kW/430 PS den ersten von vielen Rallye-WM-Siegen feierte, aber ebenso mit Straßenzulassung für schnelle Rundenzeiten auf dem Weg zur Firma angeboten wurde.

Schrilles hatte auch Subaru als Erfinder des Allrad-Großserien-Pkw im Gepäck: Der kurios-kubische Hochdach-Van Subaru E10 (Libero) bot sechs Plätze auf ultrakurzen 3,42 Metern - perfekt für kleinste Parklücken in den Schluchten der Großstädte. Neue Allradler gab es vor 40 Jahren von Alfa (33) bis Volkswagen (Passat syncro), und dazu erstmals in allen Fahrzeugklassen, also auch bei Sportwagen wie dem Porsche 911 Dakar als Vorboten für den Porsche 959. Witzige Wühlmäuse wie der Suzuki SJ 410 wappneten dagegen sich per Geländeuntersetzung gleichermaßen für urbane Schlaglochpisten wie urige Schlammpfade: ,,Der Stadtwagen, der auch im Gelände Spaß macht. Wenn Sie die Lust übermannt..." So frech warben sie damals noch.

Wenn nicht jetzt Allrad, wann dann: Das Wetter spielte vor 40 Jahren scheinbar verrückt. Erst ein sogenannter Regensommer in Deutschland mit Hagelstürmen, Überschwemmungen und Temperaturen um nur zwölf Grad, dann ein eisiger Winter mit durchschnittlich minus 2,5 Grad, der es in die Top Ten der kältesten Winter seit Beginn der Temperaturaufzeichnung schaffte. Perfektes Wetter für vier angetriebene Räder also, die sichere Traktion ermöglichten. ,,Erleben Sie, was Technik kann", forderte denn auch Ford auf, als sie den Sierra 4x4 vorbereiteten und das 184 kW/250 PS starke Mittelmotor-Geschoss RS 200 mit drei Selbstsperrdifferentialen vom 4x4-Spezialisten Ferguson in Homologationsauflage zu leistungshungrigen Kunden schickten.

Stichwort Ferguson: Die Briten hatten 1966 den Jensen Interceptor zum Allrad-Pionier unter den modernen Pkw gemacht, 1984 transformierten sie Opels Flaggschiff Senator zum ersten 4x4-Luxusliner. Allerdings blieb es bei einer Kleinauflage fürs Militär und Behörden - erst der Audi V8 etablierte die Quattro- respektive 4x4-Technik in der Oberklasse. Audi zeigte aber schon im Extremwetterjahr 1984, wie eine ,,Gelände-Idee auf die Straße geht" (Werbecredo), wenn sie so erfolgreich wie im Audi Sport quattro - mit 225 kW/305 PS stärkster deutscher Seriensportwagen - und im ganzen Portfolio vom Mittelklasse-Duo Audi 80 und 90 bis zu den großen Typen 100 und 200 inklusive Kombi Avant umgesetzt wird.

,,Das Abenteuer fest im Griff" hatten in blumigem Marketing-Deutsch die Nissan Patrol Geländewagen, auf die sogar deutsche Behörden vertrauten, wenn sie einmal nicht die seit fünf Jahren erfolgreiche G-Klasse (,,Der gebändigte Unbändige" laut Werbung) von Mercedes orderten. Tatsächlich waren Japaner damals europaweit derart begehrt, dass Importbeschränkungen ähnlich wie heute für chinesische Autos gefordert wurden. Während 1984 in den Popcharts Alphaville mit ,,Big in Japan" auf Platz ein schoss, feierte der weltgrößte Allrad-Pkw-Hersteller Subaru hierzulande seinen endgültigen Durchbruch. Subaru hatte 1972 den zuschaltbaren 4WD im Pkw Leone in die Großserie gebracht, nun mutierte die Löwen-Familie zur Subaru L-Serie inklusive zweier Kombis und Coupé sowie 1985 nachgelegtem futuristischem XT-Klappscheinwerfer-Coupé. Hinzu kamen der agile Kleinwagen Subaru Justy 4WD - nach dem Fiat Panda der zweite 4x4-Mini in Europa - und der Micro-Van Subaru E10 (Libero). Dieser spielte als niedliches Tiny House unter den Wohnmobilen auf rutschigen Campingwiesen seine Traktionsvorteile aus, während im Cassetten-Radio vielleicht gerade ,,Holiday" von Madonna lief oder der 12-Volt-TV-Empfänger Horst Schimansky im ,,Tatort" zeigte, wie er einen weiteren Fall im regengrauen Duisburg mit Ford-Dienstwagen aufklärte. Wenige Jahre später lernte auch Kult-Kommissar Schimi die Allradvorteile eines Subaru der L-Serie zu schätzen.

,,Wo Männer und Autos sich bis an die äußersten Grenzen des technisch Möglichen wagen, dort finden wir wahren Wettbewerbsgeist. Dort sind wir von Mitsubishi Motors dabei": Gleich vier Modelle mit Vierradantrieb schickten die Japaner nach Europa. Darunter der Van L300, die siebensitzige Großraumlimousine Space Wagon (Rivale Renault folgte dem Beispiel wenig später und rüstete den Espace mit 4x4-Technik aus), aber auch den Offroadklassiker Pajero und die brave Stufenhecklimousine Tredia. Frech war dagegen der Toyota Tercel 4x4: Dieser kompakte Kombi bereitete den Boden für den Crossover-Trend der 1990er. Ob als Offroader im Forsteinsatz oder als schicker Freizeitkombi, dieser preiswerte Avantgardist gewann Fans, die sogar für gebrauchte Tercel 4x4 Liebhaberpreise zahlten. In Vergleichstests mit Kombis wie dem Renault 18 Combi 4x4, aber auch mit dem schicken Alfa 33 4x4 empfahlen Fachmedien den Toyota als erste Wahl. Eine damals neue und beeindruckende Souveränität der Japaner, die an heutige Vergleichstestsieger koreanischer Provenienz erinnert.

Eine regelrechte Community entstand 1984 um den VW ,,Bulli" T3, der nun als Syncro mit permanentem Allradantrieb bei der Steyr Daimler Puch AG gebaut wurde, also bei den Spezialisten, die bereits für das Puch- bzw. Mercedes-G-Modell zuständig waren. Auch der Favorit von Familien und Außendienstlern, der VW Passat war nun als Syncro mit Allradtechnik verfügbar, blieb aber als 4x4 ein Nischentyp. Anders kleine Superstars wie MG (Mini) Metro und Peugeot 205, deren Weg nach oben in den Verkaufscharts via Allrad-Power aus dem Rallyesport beschleunigt wurde.

 ,,Die stärkste Nummer, Thunderball, das fetzt mit 147 kW/200 PS", warb Peugeot für den 205 T16, und MG textete über seinen 184 kW/250 PS freisetzenden 4x4-Mittelmotor-V6 in Straßenversion: ,,Machine, Designed For Winning". Prompt ging ein Aufschrei durch die Presse, wurden doch derartige Werbeclaims als ,,Aufforderung zur Aggression im Straßenverkehr" verurteilt. Hatte sich doch die Zahl der Verkehrstoten gegenüber 1970 gerade erst fast halbiert, dies nicht zuletzt dank neuer Sicherheitstechniken, zu denen die Industrie auch den Allradantrieb zählte. Debatten um das Auto gab es trotzdem genug, denn 1985 lief auf manchen Autobahnstrecken ein Tempo-100-Versuch, um die Auswirkungen auf Schadstoffemissionen zu ermitteln. Nach Ende des Tests verzichtete das Bundeskabinett auf ein generelles Autobahn-Tempolimit, und die Autoindustrie forcierte die Entwicklung leistungsstarker Typen mit Allradantrieb (und Katalysator): Vom BMW 3er bis zum Bugatti EB 110 avancierten nun noch mehr Berufsdynamiker zu 4x4-Typen, heute sind sie durchweg gesuchte Klassiker.



Allrad-Marken und -Modelle 1984:
Alfa Romeo 33 4x4, Alfa Romeo 33 4x4 Giardinetta (Italien, 1984 neu eingeführt); AMC Eagle Sedan/Sport Wagon (USA); Aro 10 4x4 (Duster) (Rumänien); Audi 80 quattro (Deutschland), Audi 90 2.2 quattro (1984 neu), Audi Coupé quattro, Audi 100 quattro, Audi 100 Avant quattro, Audi 200 quattro, Audi quattro, Audi quattro Sport (1984 neu); BMW 325 IX (Presseankündigung, Publikumspremiere 1985; Deutschland); Chevrolet Blazer S/T und Chevrolet Blazer (USA); Daihatsu Rocky 4WD (Japan); Dodge Ramcharger (USA); Felber Oasis Station Wagon 4x4 (Schweiz, 1984 neu); Fiat Panda 4x4 (Italien), Fiat Campagnola (Italien); Ford RS 200 (Deutschland, Debüt Turin 1984), Ford Sierra XR4x4 (Presse-Vordebüt 1984, ab 1986 auch als Turnier); Honda Civic Shuttle 4WD (Japan); Isuzu Trooper 4x4 (Japan); Jeep CJ-7 (USA), Jeep-Renault Cherokee; Lancia Delta S4 (ab 1985) (Italien); Lada Niva VAZ-2121 (Sowjetunion); Land Rover 90 (UK), Land Rover 110,
Range Rover, Luaz 4x4 (Sowjetunion), Mercedes-Benz W 124 mit 4Matic (Presseankündigung, Serienstart 1986; Deutschland), Mercedes-Benz G-Klasse;
MG Metro 6R4 (Pressedebüt 1984, UK); Mitsubishi Tredia 1800 4x4 GLS (1984 neu eingeführt, Japan), Mitsubishi Starion 4WD (auf Basis des Rallye-Racers, Debüt Genf 1984), Mitsubishi Space Wagon 2000 4x4 GLX (1984 neu), Mitsubishi L300 Country 4x4, Mitsubishi Pajero; Moretti Panda Rock 4x4 (Italien); Nissan Patrol (Japan), Nissan King Cab Pick-up; Opel Senator Ferguson (1984 neu, Deutschland);
Peugeot 205 Turbo 16 (1984 neu, Frankreich); Porsche 959 (als Prototyp 1983 auf der IAA Frankfurt, Erstauslieferung 1986, Deutschland), Porsche 911 4x4 (953) des Prodrive-Teams siegt 1984 bei der Paris-Dakar-Rallye; Portaro 230/260 4x4 (Portugal); Rayton Fissore Magnum 4x4 (1984 neu, Italien); Renault 18 Combi 4x4 (Frankreich), Renault Espace 4x4 in Vorbereitung; Subaru Justy 4WD (1984 deutscher Marktstart, Japan), Subaru E10 Wagon (Libero) 4WD (1984 deutscher Markstart), Subaru L-Serie 4WD Sedan (1984 deutscher Markstart), Subaru L-Serie 4WD Station/Super Station (1984 deutscher Markstart), Subaru XT Coupé (1984 deutscher Marktstart); Suzuki SJ410 (Japan), Suzuki SJ413 Highroof; Toyota Tercel 4x4 (1984 deutscher Marktstart, Japan), Toyota Land Cruiser, Toyota Hilux; Tundra 469 UAZ 469 B (Sowjetunion); Umm Alter 4x4 (1984 neu, Portugal); Volkswagen Passat Variant 2.0 Syncro (1984 neu, Deutschland); Volkswagen T4 Syncro (1984 neu).

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