Sonst noch was?

Sonst noch was? - Hört sich (nur) gut an

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  • 12. April 2024, 15:50 Uhr
  • Peter Eck/SP-X
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Sonst noch was? Foto: SP-X

Wir schauen in den Spiegel, um uns ein wenig selbst zu betrügen, greifen auch mal zum Rechenschieber und lassen uns einmal mehr desillusionieren. Mit anderen Worten: Es war eine ganz normale Woche.

So ein bisschen Selbstbetrug ist nicht schlimm, zumindest nicht im Privatleben. Sieht man beim Blick in den Spiegel nicht immer noch so gut aus wie vor 10 Jahren, kann ich die abgejabbelte Jeans nicht weitertragen und kommt die Rostlaube vor der Tür nicht doch noch durch den nächsten TÜV?

Anders sieht es natürlich aus, wenn wir über den öffentlichen Raum - Politik, Wirtschaft und Gesellschaft - sprechen, oder über alles zusammen. Dann kann Selbstbetrug unangenehme Folgen haben. Und die Grenze zum echten Betrug ist oft fließend.  

Speziell in der Politik gibt es Beispiele zuhauf, Rente oder Wohnungsbau könnten etwa genannt werden, viele andere mehr. Und, damit wären wir nun endlich beim Thema, natürlich auch die Mobilität. Beispiel: Schlanke 15 Millionen E-Autos sollen bis 2030 in Deutschland auf der Straße sein, das ist erklärtes Ziel der Regierung. Zurzeit sind es rund 1,4 Millionen. Kurze Subtraktion und anschließende Division: Inklusive 2024 und 2030 hätten wir sehr großzügig gerechnet noch 7 Jahre Zeit, das Ziel zu erreichen. Dazu müssten also bis dahin Jahr für Jahr knapp 2 Millionen E-Autos zugelassen werden.  

Zur Einordnung: 2023 wurden hierzulande rund 2,84 Millionen Pkw insgesamt neu auf die Straße gebracht und dieses Niveau wird in den nächsten Jahren wohl in etwa so hoch bleiben. Auch wer zu Abi-Zeiten nicht den Mathe-Leistungskurs belegt hat könnte jetzt also auf die Idee kommen, dass dieses Ziel absolut illusorisch ist und eigentlich realistisch betrachtet schon immer war. Heute mehr denn je übrigens, denn im März lag der Marktanteil der reinen E-Autos gerade mal bei 12 Prozent!

Es gehört schon seit den Zeiten der griechischen Agora zum Wesen der Politik, viel zu versprechen und eigene Leistungen zu überhöhen. Schließlich will man (wieder)gewählt werden. Vieles hört sich daher zunächst gut an, im Nachhinein aber auch NUR gut an. Zum Beispiel die ,,Erfolgsmeldung" aus dieser Woche, dass der öffentliche Fern- und Nahverkehr im vergangenen Jahr um sieben Prozent zugelegt hat. Großes grünes Trara!

Wer weiter liest findet allerdings die Anmerkung, dass die Nutzerzahlen immer noch um acht Prozent unter denen von 2019 liegen, also der sogenannten Vor-Corona-Zeit. Das Wachstum auf kurzer ist also in Wirklichkeit ein veritabler Rückgang auf mittlere Sicht. Wir sind offensichtlich einfach (noch) kein Volk von ÖPNV-Nutzern. Woran das wohl liegen mag? Man frage Bewohner ländlicher Räume oder auch regelmäßige Bahnnutzer.

Illusionen, die haben sich in den letzten Jahren aber auch so manche Autohersteller gemacht, wenn zum Beispiel ein Modell zur falschen Zeit auf den Markt gebracht oder auf eine ungeeignete Technologie gesetzt wurde. Tesla gehört als E-Auto-Pionier sicher nicht dazu. Die Marke war ein echter Pionier und hat Maßstäbe in Sachen Entwicklungs- und Produktionstempo gesetzt. Hinzu kam: Viele haben dem genialen Selbstvermarkter Musk lange Zeit jede noch so wahnwitzige Wachstumsstory abgekauft und unter anderem damit den Aktienkurs auf irrwitzige Höhen getrieben, so dass das Unternehmen zweitweise mehr Wert war als etwa  Volkswagen, Mercedes und Ford zusammen.

Jetzt läuft es nicht mehr ganz so rund, die Wachstumsspirale scheint ausgebremst, zudem machen auch noch die Autos selbst zunehmend Probleme. Es häufen sich angeblich die Kundenbeschwerden, etwa wegen unzuverlässiger Parksensoren, aber auch frühzeitigem Rost, undichten Scheiben oder schlechter Lackierung. Könnte man alles in den Griff kriegen, wenn man denn wollte. Leider aber treffen die Produktprobleme auf eine jetzt schon legendär ignorante Kundenbetreuung mit der offensichtlichen Vorgabe von ganz oben: null Kulanz. Für alle Jünger der Marke gilt es jetzt stark zu sein und sich einen Selbstbetrug einzugestehen: Elon Musk kann nicht über Wasser gehen und dasselbe auch nicht in Wein verwandeln. Er könnte aber immerhin gute Elektroautos bauen, so ganz normale. Sonst noch was? Nächste Woche wieder.

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