Oldtimer

Concorso d'Eleganza Villa d'Este - Stelldichein der Chromjuwelen

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In Como treffen sich die exklusivsten Oldtimer Foto: Benjamin Bessinger

Darauf haben sie lange warten müssen: Mit anderthalb Jahren Verspätung gab sich die Creme der europäischen Classic Szene endlich wieder ein Stelldichein in der Villa d'Este - und hat einmal mehr ein paar spektakuläre Schmuckstücke mitgebracht.

Der Himmel auf Erden? Wo genau der liegt, weiß natürlich auch Simon Kidston nicht. ,,Aber die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich groß, dass es genau hier ist," sagt der Brite und lässt den Blick schweifen über die wunderbare Villa d'Este, ihren traumhaft schönen Park, den tiefblauen Comer See und das sattgrüne Bergpanorama. Vor allem an einem Wochenende wie diesem, und wenn man ein Faible für schöne Autos hat natürlich. Denn Kidston ist der Conferencier beim legendären Concours d'Elegance und wird gleich ein Defilee von über 50 der schönsten, edelsten - und teuersten Oldtimer der Welt kommentieren.

Auf diese Parade musste die PS-Welt wegen der Pandemie nun lange genug warten, und entsprechend gierig inhalieren die handverlesenen Zuschauer das Parfüm von Petroleum, Politur und Superbenzin, das über dem Park liegt wie ein feiner, unsichtbarer Nebel. Man badet im Glanz von Chrom, Lack und Leder und keiner kann sich sattsehen an den wollüstigen Formen aus über 100 Jahren Automobilgeschichte.

Den Fahrzeugbesitzern und den nur wenigen hundert geladenen Gästen, die den Concours am ersten Tag bei Champagner-Cocktails auf der Hotelterrasse ,,entre nous" und ohne das gemeine Volk genießen, ist die Begeisterung fürs edle Altmetall deshalb förmlich ins Gesicht geschrieben. ,,Der liebe Gott muss ein Oldtimer-Fan sein", sagt ein PS-Fanatiker aus München mit einer Geste, die alle Autos, den Park und das Panorama einschließt.

Zwar mussten ein paar Autos zurückgezogen werden, weil einige Gäste noch immer nicht anreisen durften. Doch hat das Komitee der Gastgeber würdigen Ersatz gefunden und die Lücken geschickt geschossen, so dass in acht Kategorien am Ende doch über 100 Autos auf dem Rasen und den feinen Kieswegen dazwischen geparkt wurden - von der Sonderschau zum 90. Geburtstag der Designscheide Pininfarina über die Supersportwagen aus den wilden 1990er mit Bugatti EB110, Lamborghini Countach, McLaren F1 und Mercedes CLK-GTR bis hin zu Mercedes SL, BMW 507, Aston Martin DB5 oder Bentley S1 aus dem ,,Showroom Showdown", als Deutsche und Briten in den 1950ern um die sportliche Krone im Automobilbau rangen.

Eines der mit Abstand schönsten, seltensten und zugleich spektakulärsten Autos des Concorso kommt aber aus Österreich: ein Werksrennwagen des Gräf & Stift SR4, der zu Beginn des zweiten Weltkrieges auf dem Dach der Fabrik versteckt wurde und 1980 wieder vom Speicher geholt wurde - nur um dann weitere 40 Jahre in Einzelteilen im Keller eines weiteren Industriegebäudes zu überdauern.

Erst vor zwei Jahren hat der heutige Besitzer den Wagen geborgen, ihn liebevoll restaurieren lassen und vor der Villa d'Este zum ersten Mal vor Publikum wieder den 7,8 Liter großen Sechszylinder angeworfen, der immerhin 120 PS leistet und einen Ruf hat wie Donnerhall. Jetzt rühmt er sich eines Wagens, der nicht minder bedeutsam ist wie das letzte Auto des österreichischen Kaisers Karl I. oder das Cabrio, in dem Thronfolger Franz Ferdinand dem Attentat von Sarajewo zum Opfer viel - denn beide Autos waren ebenfalls Gräf & Stift.

Während sein Silberling schon eine lange Geschichte hat, müssen andere Autos auf dem Rasen sich die erst noch verdienen. Denn auch wenn so richtig neue Autos bei einem Concorso eigentlich nichts zu suchen, ist im Park der Villa d'Este eine Ecke eigens für Prototypen und Designstudien reserviert. Allerdings hat nicht einmal Gastgeber BMW diesmal wie sonst so oft eine neue Studie mitgebracht, sondern stattdessen noch einmal die IAA-Studie Vision iCircular ins Rampenlicht gerückt, die dem Gedanken der Nachhaltigkeit Gestalt gibt und deshalb guten Gewissens als BMW für die (Bio)Tonne bezeichnet werden darf.

Dafür bringt diesmal Lamborghini den Zeitstrahl durcheinander und hat ein nagelneues Concept Car mitgebracht, das im Grunde schon 50 Jahre auf dem Buckel hat: Weil der originale Prototyp des Donenrkeils von 1971 im Rahmen der Entwicklung einem Crashtest geopfert wurde, hat sich ein namensloser Sammler den Erstling von der historischen Abteilung in Sant'Agata nachbauen lassen. Zwar haben die Experten im Werk 250.000 Arbeitsstunden, um die Mutter aller modernen Supersportwagen auf Basis einer Handvoll Fotos, Skizzen und Gesprächsprotokolle zu rekonstruieren und werden dabei bisweilen ordentlich geschwitzt haben. Doch erstens dürften dafür auch ein paar Millionen geflossen sein. Und zweitens ist so ein Fauxpax korrigiert, der so heute sicher nicht mehr passieren würde - schon allein, damit man beim Concorso zum nächsten runden Geburtstag des Countach nicht wieder blank ist.

Und der nächste Concorso kommt schneller als man glaubt. Zumindest, wenn die Pandemie der PS-Gemeinde nicht nochmal einen Strich durch die Rechnung macht. Natürlich sind die Auswirkungen von Corona beim Concorso auch diesmal noch deutlich zu spüren. Doch die Einschränkungen haben nicht nur Nachteile. Denn wenn ein paar weniger Menschen durch den vielleicht nobelsten Hotelgarten auf dem Kontinent flanieren, sieht man endlich mal wieder etwas mehr von den Autos. Und selbst der Verschiebung kann Conferencier Kidston etwas Gutes abgewinnen - und wenn es nur die verkürzte Wartezeit bis zur nächsten Auflage ist. ,,Schließlich sind es nur noch sechs Monate, bis wir uns hier alle wiedersehen".

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