Tradition: Mazda X-Modelle mit unkonventionellen Antrieben (vom MX-3 zum MX-30 R-EV)

Tradition: Mazda X-Modelle mit unkonventionellen Antrieben (vom MX-3 zum MX-30 R-EV) - Verführung du

img
2003 war die Markteinführung des Mazda RX-8 als erstem Sportwagen mit vier gegenläufigen ,,Freestyle"-Türen ohne B-Säule. Für Vortrieb sorgte der neue Renesis-Zweischeiben-Kreiskolbenmotor Foto: Mazda

Es ist der Drang, Automobile durch unkonventionelle Antriebe begehrenswert zu machen, mit dem sich Mazda vom Mainstream differenzieren will. Soll heute ein Wankelmotor den Stromer MX-30 zum Erfolg führen, waren es früher (zu) mutige Miller-Cycle- oder Renesis-Lösungen, die in Xedos und RX-8 für Furore sorgten.  

Anders sein als die breite Masse, das ist es, was die Freestyler in der Jugendkultur auszeichnet. Anders sein durch Freestyle-Karosseriekonzepte und eigenwillige Motoren, mit diesem Reiz des Besonderen sollen Mazda X-Modelle schon seit 1991 Familien und Avantgardisten überzeugen. Bewirkt etwa heute der vollelektrische MX-30 mit vier gegenläufig aufschwingenden ,,Freestyle"-Türen bewundernde Blicke wie Stirnrunzeln - besonders bequem ist der Zustieg in den Fond nicht - toppt die Version MX-30 R-EV dieses Designfeature technisch durch einen seriellen Plug-in-Hybrid. In diesem Mazda wankelt es wieder, ein Kreiskolbenmotor erzeugt die elektrische Energie. Wer hätte 2012 an ein solches Comeback geglaubt, damals als der letzte Mazda RX-8 mit Wankelmotor und auffälligen Freestyle-Türen ins Museum fuhr. Aber die Mazda-Ingenieure scheuen bis heute kein Abenteuer. ,,Neues Denken im Automobilbau kann neue Märkte erschließen", lautete bereits 1991 ein Mazda-Slogan, als das Sportcoupé MX-3 mit damals weltweit kleinstem Downsizing-V6-Triebwerk debütierte. Dass Mut zum Risiko nicht immer belohnt wird, zeigte 1995 der große Xedos 9 mit Miller Cycle. Durch länger geöffnete Einlassventile ermöglichte der Miller-Zyklus eine bessere Leistungseffizienz und einen geringeren Verbrauch als konventionelle Motoren. Zu kompliziert, meinten die Kunden, und schickten das Xedos-Flaggschiff ins Aus.

Pragmatische Credos wie ,,Form follows Function" mögen Mainstream-Marken zufriedenstellen, aber nicht die von Ingenieursgeist getriebenen Charakterköpfe bei Mazda. Schließlich bauten sie in Hiroshima schon ihren allersten Familien-Pkw auf eigenwillige Art: Der Mazda 360 debütierte 1960 nicht als konventionelle Limousine, sondern als unpraktisches Coupé mit wenig Platz im Fond. Gleichwohl dominierte der sportive Flitzer zur Verblüffung der Fachwelt auf Anhieb das Kei-Car-Segment, wozu allerdings auch der revolutionär laufruhige und kräftige Viertaktmotor beitrug, der alle Zweitakt-Konkurrenten deklassierte. Auch den Wankelmotor brachte Mazda ab 1967 als Einziger in Millionenauflage, während alle Wettbewerber den Rückzug antraten. Mit dem Wankel-Sportwagen RX-7 überholte Mazda in Nordamerika sogar den Bestseller Porsche 924/944, und 1991 krönten sich die Japaner in Le Mans: Der Vierscheiben-Rotary-Racer Mazda 787 B gewann den 24-Stunden-Marathon, als erster seiner Bauart. So viel Erfolg machte selbstbewusst: ,,Mazda bewies, dass der Mut zum Risiko einen Welterfolg schaffen kann", tönte die Werbung und verwies auf neue Serienmodelle mit MX-Code. Tatsächlich sollten 1991 gleich zwei Dynamiker den Sensationserfolg des offenen Sportwagens MX-5 auf Coupés übertragen: der kompakte MX-3 und der Mitteklassetyp MX-6.

,,MX", hinter diesem Kürzel verbergen sich laut einer sperrigen Mazda-Diktion ,,Modelle, die konventionelle Annahmen in der Automobilindustrie herausfordern." Beim schicken 2+2-Sitzer MX-3 war es ein optionaler, äußerst flach bauender, laufruhiger V6 mit niedrigen Verbrauchswerten, der im Wettbewerbsumfeld sonst üblicher Vierzylinder-Coupés überraschte. Zur Sensation avancierte der japanische 1,8-Liter-Sechszylinder in 60°-V-Anordnung aber auch als damals kleinstes Downsizing-V6-Triebwerk. Bei der anvisierten Zielgruppe der Dinks (Mazda: ,,Dinks? Double income, no kids!") kam der MX-3 sogar besser an als Rivalen wie Nissan 100 NX und VW Corrado 16V: Bis zu einem Jahr Lieferzeit für einen Japaner, das akzeptierten die Kunden sonst nur beim Kultroadster MX-5.

Ganz anders der größere, 4,62 Meter lange Mazda MX-6 mit neuartiger Vierradlenkung und 2,5-Liter-V6. Nur 2.700 Käufer gewann der schwungvoll gezeichnete Mazda in Deutschland, dabei sollte er laut Werbung ,,zu moderaten Preisen den touch of first class feeling" vermitteln. Dann doch lieber das Prestige eines BMW 3er Coupés kaufen, dachte offenbar die Klientel.

Zu hoch flog 1991 auch die dritte und letzte Generation des Mazda RX-7, die mit dem Rückenwind des Wankel-Siegs in Le Mans in Supersportwagen-Gefilden wildern wollte. Preisforderungen für den 176 kW/240 PS starken Kreiskolben-Mazda fast auf dem Niveau von Porsche oder Maserati schienen Sportwagenfans zu ambitioniert, und so stand der schnellste Serien-Mazda aller Zeiten im Abseits, wo er auf andere gescheiterte Super-Samurai à la Nissan 300 ZX TT oder Mitsubishi 3000 GT traf.

Von Luxus, Lifestyle und Exklusivität soll 1992 die als Kunstwort kreierte Modellbezeichnung Xedos künden. Während der Xedos 6 mit sensationell laufruhigem und im Normzyklus nur 6 Liter konsumierenden 2,0-Liter-Sechszylinder als frühes Vorbild für die später populären viertürigen Coupés gefeiert wurde, überraschte der größere Xedos 9 durch den weltweit ersten 2,3-Liter-V6-Miller-Cycle-Motor mit Comprex-Druckwellenlader. Tatsächlich begnügte sich der 155 kW/210 PS leistende Xedos 9 V6 Miller-Cycle mit 6,3 Liter Normverbrauch. Allerdings fehlte es dem Mazda etwa im Vergleich zum 2,3-Liter-Kompressormotor von Mercedes an Drehmomentstärke bei niedrigen Drehzahlen. Am Ende wurde Mazdas Mut zum exklusiven Sonderweg nicht belohnt, 2003 zog Mazda die Reißleine für das Xedos-Projekt. Immerhin: Die Experimentierfreude der Motoren-Ingenieure wurde nicht gebremst, 2019 etwa lancierte Mazda den Skyactiv X als ersten in Großserie gebauten Benzinmotor, der die Vorteile der Brennverfahren von Benzin- und Dieselaggregaten verbindet.

Auch die Kreiskolbenmotoren können in zwei Freestyle-Karosseriekonzepten noch einmal Mazdas Ruf als Marke technischer Avantgarde bestätigen. So brachte es der 2003 eingeführte RX-8 als erstes Sportcoupé mit vier gegenläufig öffnenden Freestyle-Türen zu einem Achtungserfolg, zumal dem frisch entwickelten Renesis-Wankel kurzzeitig der Sprung ins Zeitalter des Wassermanns gelang. Ab 2006 liefen in Japan und Norwegen Leasingprogramme mit RX-8 Hydrogen RE, die wahlweise mit Wasserstoff und Benzin betrieben wurden. Seinen 100. Unternehmensgeburtstag feierte Mazda 2020 mit dem MX-30 als erstem in Großserie gebautem Stromer der Marke. Aber Mazda ist Mazda, und so darf auch dieser Freestyler drei Jahre später optional gegen den Zeitgeist fahren: Mit einem komplett neuen Einscheiben-Kreiskolbenmotor, der im MX-30 R-EV nicht die Räder antreibt, sondern als Generator elektrische Energie erzeugt. Bis zu 680 Kilometer Gesamt-Reichweite, davon 85 rein elektrisch, bietet dieser serielle Plug-in-Hybrid mit ruhig laufendem Wankel-Generator. Ein Fall für Connaisseurs: Nur 2.500 MX-30 R-EV will Mazda 2024 in Deutschland verkaufen. Aber die kreative Marke bleibt im Gespräch, und das ist den Japanern wichtig.

Welche Bedeutung die Mazda X-Typen als Oldtimer haben, weiß Frank Meißner von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: ,,Während die Xedos Modelle allenfalls in der Exotenecke eines Youngtimertreffens zu finden sind, sind die Mazda mit Wankelmotor seit vielen Jahren fester Bestandteil der Oldtimerszene. Insbesondere der RX-7 hat unter Technikfans eine große Fangemeinde. Gute Exemplare der ersten Generation kosten etwa 12.000 Euro".



Chronik:
1960: Mazda beginnt mit dem Verkauf vierrädriger Pkw. Erstes Erfolgsmodell ist das R360 Coupé, das im Kei-Cars-Segment zeitweise 65 Prozent Marktanteil hält
1961: Im Juli kommt es zur Unterzeichnung eines Lizenzvertrages zwischen Mazda und NSU, der von der japanischen Regierung abgesegnet wird. Schon im November gibt es erste Tests mit Mazda Kreiskolbenmotoren
1967: Am 30. Mai wird der Mazda Cosmo Sport 110 S als weltweit erstes Serienfahrzeug mit Zweischeiben-Kreiskolbenmotor (Typ L10A) vorgestellt, drei Monate vor dem NSU Ro 80
1978: Produktionsstart für den Mazda RX-7, den meistverkauften Sportwagen aller Zeiten mit Kreiskolbenmotor. Eine Million Mazda mit Wankelmotor
1979: Der RX-7 wird auch in Deutschland lieferbar. In den USA, weltweit größter Sportwagenmarkt, übertrifft er die Verkaufszahlen seines härtesten Rivalen, des Porsche 924. Audi lässt verlauten, dass es keine neuen Modelle mit Wankelmotor geben wird, dies nachdem der NSU Ro 80 bereits 1977 eingestellt wurde
1986: Im April erreicht die Gesamtproduktionszahl der Mazda-Modelle mit Kreiskolbenmotor 1.500.000 Einheiten
1991: Als erstes Fahrzeug eines japanischen Herstellers gewinnt der Mazda 787 B mit Vierscheiben-Kreiskolbenmotor die 24 Stunden von Le Mans. Der Mazda RX-7 in dritter und letzter Generation geht an den Start. Auf der IAA in Frankfurt debütiert das 2+2-sitzige Sportcoupé Mazda MX-3 parallel zum geräumigen Mittelklasse-Coupé Mazda MX-6
1992: Mit der Limousine Xedos 6 lanciert Mazda im Juni seine Luxuslinie Xedos in Deutschland. Anfangs einziger Motor für den deutschen Markt ist ein 2.0-Liter-V6-Benziner. Den Anspruch auf die gehobene Fahrzeugklasse des Xedos 6 sollen serienmäßiges ABS und Fahrerairbag unterstreichen
1993: Im Januar feiert das Flaggschiffmodell Mazda Xedos 9 Weltpremiere. Im November Markteinführung des Xedos 9 in Deutschland als designierter Nachfolger des Mazda 929
1995: Im Oktober ergänzt der Xedos 9 mit weltweit erstem in Serie gebauten 2,3-Liter-V6-Miller-Cycle-Motor das Portfolio
1996: Importende für die dritte RX-7-Generation, die Produktion in Japan läuft noch bis 2003
1997: Vertriebsende für das Coupé Mazda MX-6 nach nur 2.700 Zulassungen in Deutschland
1998: Die Produktion des Coupés Mazda MX-3 läuft aus
1999: Im September erfolgt der Produktionsauslauf für den Xedos 6 nach weltweit nur 72.101 Einheiten. Hauptabsatzmarkt war Deutschland
2000: Im Oktober kommt es zur Straffung des Angebots beim Xedos 9. Ab sofort ist nur noch der Xedos 9 2.5i V6 lieferbar, dies in einer Faceliftversion mit neuer Frontgestaltung, überarbeitetem Fahrwerk und erweiterter Interieurausstattung
2002: In seinem letzten kompletten Produktionsjahr kostet der Xedos 9 2.5i V6 ab 32.700 Euro. Der Mazda RX-7 wird auch in Japan aus der Produktion genommen
2003: Markteinführung des Mazda RX-8 als erstem Sportwagen mit vier gegenläufigen ,,Freestyle"-Türen ohne B-Säule. Für Vortrieb sorgt der neue Renesis-Zweischeiben-Kreiskolbenmotor. Im Januar läuft die Produktion des Xedos 9 aus
2006: In Japan und Norwegen laufen Leasingprogramme mit einer Flotte wasserstoffbetriebener Mazda RX-8 Hydrogen RE
2010: In Deutschland endet der Import des RX-8
2012: Produktionsende für den Mazda RX-8
2019: Mazda präsentiert den Motor Skyactiv-X als weltweit ersten Benziner, der Merkmale der Brennverfahren von Benzin- und Dieselmotoren verbindet
2020: Als erstes vollelektrisches, in Großserie gebautes Mazda-Modell kommt der MX-30 in die Schauräume der Händler
2023: Der vollelektrische Mazda MX-30 startet im November in einer zweiten Variante als MX-30 R-EV mit neu entwickeltem Ein-Scheiben-Kreiskolbenmotor (55 kW/75 PS), der den Stromer zum seriellem Plug-in-Hybrid macht. Mazda plant 650 MX-30 R-EV noch in diesem Jahr in Deutschland abzusetzen, im Jahr 2024 sollen es 2.500 Einheiten sein

Modelle und Motoren:
Mazda RX-7, Generation 1 (1978-1985) mit 2 x 573 ccm-Kammervolumen, 77 kW/105 PS-121 kW/165 PS;
Mazda RX-7, Generation 2 (1985-1991) mit 2 x 654 ccm-Kammervolumen, 110 kW/150 PS-147 kW/200 PS;
Mazda RX-7, Generation 3 (1991-2003) mit 2 x 654 ccm-Kammervolumen, 176 kW/240 PS-206 kW/280 PS;
Mazda MX-3 (1991-1998) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (65 kW/88 PS) bzw. mit 1,8-Liter-V6-Benziner (98 kW/133 PS);
Mazda MX-6 (1991-1997) mit 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (85 kW/115 PS) bzw. mit 2,5-Liter-V6-Benziner (121 kW/165 PS);
Mazda Xedos 6 (1992-1999) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (79 kW/107 PS bzw. 83 kW/113 PS) bzw. mit 2,0-Liter-V6-Benziner (103 kW/140 PS bzw. 106 kW/144 PS);
Mazda Xedos 9 2.0i V6 (1993-2003) mit 2,0-Liter-V6-Benziner (105 kW/143 PS) bzw. mit 2,3-Liter-V6-Benziner (155 kW/210 PS) bzw. mit 2,5-Liter-V6-Benziner (120 kW/164 PS bzw. 123 kW/167 PS);
Mazda RX-8 (2003-2012) mit 2 x 654 ccm-Kammervolumen (141 kW/192 PS-170 kW/238 PS);
Mazda MX-30 (seit 2020) mit Elektromotor (107 kW/145 PS);
Mazda MX-30 R-EV (seit 2023) mit Elektromotor (125 kW/170 PS) und Kreiskolbenmotor mit 1 x 830 ccm-Kammervolumen (55 kW/75 PS).

STARTSEITE