
Der elektrische Renault 5 steht am Start - nicht als Retro-Ausgabe des ersten R5 von 1972, sondern als Referenz an den vor 40 Jahren vorgestellten Supercinq. In grandiose Formen gebracht hatte die ,,Super-Fünf' der italienische Maestro ikonischer Kanten, Marcello Gandini, bekannt als Schöpfer von Countach & Co. Â
BMW hat es mit dem Mini vorgemacht, Fiat ist mit dem 500 gefolgt: Legendäre Formen der Vergangenheit lassen sich frisch interpretiert erfolgreich in die Zukunft führen. Kein Wunder also, dass Renault eine elektrische Neuauflage seines populären Revolutionärs aus den frühen 1970ern lanciert: Der Renault 5 definierte damals die Kleinwagenwelt neu, mit Prallflächen, die seine kecke Front im Kindchenschema vor Parkremplern schützten, und mit furiosen Fahrleistungen. Dazu gab es knallbunte Farben, alles so wie beim neuen batterieelektrischen Renault 5, dessen schnellste Variante das Alpine-Logo schmückt. In den Formen zitiert der neue Stromer allerdings nicht den rundlich-weichen R 5 von 1972, sondern die zweite Generation, den Supercinq (Super-Fünf) von 1984, damals von Marcello Gandini in genial-scharfe Formen gebracht. Gandini, das war jener italienische Stardesigner, der mit keilförmigen Entwürfen wie dem Lamborghini Countach unvergänglich aufregende Supercar-Designs zeichnete. Aber auch wenn es um Großserienmodelle ging, war es Gandini wichtig, dass seine Formen Emotionen auslösten. Zu erleben beim Renault Supercinq, der als rund 200 km/h schneller GT Turbo zum Schrecken der GTI-Fraktion avancierte und als schicker Cityflitzer mehr Begehren weckte als Rivalen von Peugeot oder Citroen. Tatsächlich konnte der Supercinq sogar den Renault-Konzern aus einem Tal der Tränen in die Gewinnzone holen. Denn dieser Cinq machte seine Sache super als jahrelang meistverkauftes Auto Frankreichs.
,,Bonjour, c'est moi Renault Supercinq" - ,,Guten Tag, ich bin es, der Renault Super-Fünf", begrüßte der Renault 5 vor 30 Jahren seine potenziellen Käufer von Plakatwänden, während er auf den Werbepostern raketengleich gen Himmel abzuheben schien. Super-Power musste Renaults zweite Nummer 5 wirklich mitbringen, schließlich war die erste Generation mit 5,5 Millionen Fahrzeugen in Vorlage gegangen. Schon die Macher der Renault-5-Rivalen Fiat 127, Peugeot 104 und VW Polo wussten: Kaum etwas ist so schwierig wie einen Kult-Kleinwagen durch einen ebenso erfolgreichen Nachfolger zu ersetzen. Weshalb VW den zweiten Polo zuerst in unkonventioneller Kombi-Form präsentierte. Peugeot ersetzte Europas kürzesten Viertürer, den kantigen Pininfarina-Entwurf 104, durch die rundliche und Absatzrekorde erzielende Numero 205, und Fiat vertraute auf die Genialität des Giorgio Giugiaro, um den Uno auf Weltauto-Kurs zu schicken. Anders als die Konkurrenten wollte die Marke mit dem Rhombus keinen optischen Bruch zur Designlinie des Vorgängers, als es um die Erneuerung des ,,kleinen Freundes" (Werbeslogan) Renault 5 ging. Nicht alles, was crazy war, verkaufte sich damals gut: Der Talbot Tagora als neues V6-Topmodell des PSA-Konzerns brachte desaströse Verluste, die kirschige Cherry-Coke floppte und abstürzende Commodore VC 20 oder Amiga ließen User in der Computer-Frühzeit verzweifeln. Dagegen sorgten beim Renault 5 geballte Computer-Kapazitäten für kürzere Entwicklungszeiten. Und Marcello Gandini straffte die Konturen des R 5 auf faszinierende Art - ,,Merci Maestro", bedankte sich Renault im Frühjahr 2024 ein letztes Mal, als der italienische Formenkünstler verstorben war.
Bars im kühlen Neonlicht waren Mitte der 1980er angesagte Treffpunkte der gegelten Yuppies - und vor der Tür warteten auf die jungen Erfolgreichen Prestigesymbole im Stil von BMW 3er (E30), Mercedes 190, Golf & 205 GTI, aber nun eben auch messerscharf in Form gebrachte 3,59 Meter kurze Supercinq mit fast komplett neuer Technik unter dem drei- oder fünftürigen Blechkleid. Quer statt längs eingebaute Vierzylinder schufen mehr Platz im Innenraum, und neue McPherson-Federbeine an der Vorderachse sowie Längslenker und Drehstäbe an den einzeln aufgehängten Hinterrädern versprachen höhere fahrdynamische Qualitäten. Während das Basismodell Renault 5 C nur frugale 30 kW/41 PS leistete, sprintete der 85 kW/115 PS freisetzende GT Turbo in nur acht Sekunden auf 100 km/h: Das war Porsche-944-Niveau. Das viersitzige Vollcabrio des belgischen Herstellers EBS - bügelfrei und mit kleiner Heckklappe - stahl Peugeot 205 CTI, Golf und Escort die Show, fand aber zum Kummer der Open-Air-Community nicht den Weg in eine echte Großserie. Immerhin: Auch einige deutsche Renault-Händler schmückten mit dem kleinen Sonnenkönig ihre Schauräume. Luxus im Citycar-Format vermittelte dagegen die damals sonst eher größeren Fahrzeugklassen vorbehaltene Dreigang-Getriebeautomatik. Damit der Automatik-Renault nichts an Temperament verlor, bekam er respektable 1,7 Liter Hubraum.
Für umweltbewusste Aktivisten gab es außerdem den Renault 5 GTL mit Katalysator im Kampf gegen das Waldsterben, damals politisches Tagesthema nicht nur bei den ,,Grünen": ,,Mit guten Freunden lässt es sich leicht neue Wege gehen, Renault 5 GTL Kat., der erste seiner Klasse mit Katalysator", trumpfte Renault in der Werbung auf. Niedrige Verbrauchswerte wurden wichtiger denn je, deshalb drängte der Renault 5 auch in die Liga der ,,Drei-Liter-Diesel". Mit 3,9 Liter Normverbrauch (bei 90 km/h) unterbot der 825 Kilogramm leichte und 40 kW/55 PS leistende Selbstzünder zwar nur knapp die Vier-Liter-Marke, aber das galt auch für den Opel Corsa D oder den Peugeot 205 XLD.
Billig waren die ,,frechsten dreieinhalb Meter der Welt" (Marketing-Slogan) übrigens nicht. Marcello Gandinis Designerstück kostete 1989, auf dem Zenit seiner Karriere, mehr als VW Polo, Seat Ibiza, Fiat Uno oder Daihatsu Charade - und füllte so die Kassen des Renault-Konzerns. Dazu trug ab 1986 auch der Kleinlieferwagen Renault 5 Rapid bei, Nachfolger des legendären R4 Fourgonette. Am anderen Ende der Emotionsskala rangierte derweil der Renault 5 GTE mit G-Kat im Renault elf Pokal. Der Renner leistete hier 85 kW/115 PS für wilde Kurvenkämpfe, während die domestizierte Straßenversion nur 70 kW/94 PS bereithielt. Hatte der französische Staatspräsident François Mitterrand den finanziellen ,,Gesundheitszustand" von Renault 1985 noch als ,,ernstes Problem" auf die politische Tagesordnung gebracht, erzielte Frankreichs größter Autobauer 1987 wieder Gewinne - erstmals nach sechs Jahren.
So viel Kreativität und Diversität machten aus dem zweiten Renault 5 eine Erfolgsstory, die es in einem Jahrzehnt auf rund 3,5 Millionen Einheiten brachte, bis sich der Supercinq mit dem Schriftzug ,,Bye Bye" am Heck verabschiedete. Die Fortsetzung folgt jetzt, genau 30 Jahre später: Der elektrische Renault 5 soll die Idee des Supercinq neu aufladen.
Welches Erbe der Stromer antritt, erklärt Christoph Pichura von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: ,,Wie fortschrittlich die Form des R 5 war, sieht man schon daran, dass Renault nach zehn Jahren nur etwas Front und Heck glätten musste, um aus ihm ein modernes Auto zu machen. Überlebt haben von den normal motorisierten Versionen nur wenige, aufgehoben oder restauriert wurden überwiegend die sportlichen Varianten wie GTE oder GT Turbo, dabei ist ein GTE im guten Zustand nicht unter 9.000 Euro zu haben."
Modellhistorie Renault 5 Supercinq:
1972: Der Produktionsanlauf der ersten Generation des Renault 5 erfolgt im Januar. Publikumspremiere feiert der neue Kleinwagen im März auf dem Genfer Salon. Der Verkaufsstart in Deutschland erfolgt im Oktober des Jahres und zwar als Renault 5 L mit 845 cm³ und 36 PS Leistung sowie als Renault 5 TL mit 956 cm³ und 44 PS Leistung Â
1974: Neuer Spitzentyp im Renault-5-Programm ist der 5 LS mit 1,3-Liter-Motor aus dem Renault 12 und 64 PS Leistung. Im April startet die Motorsportserie Renault elf Pokal mit Renault 5
1976: Nur eine Studie bleibt das Cacharelle-Cabriolet. Im März debütiert der sportliche Toptyp Renault 5 Alpine mit 93 PS Leistung. Produziert wird der Sportler bei Alpine in Dieppe. Bis Herbst 1981 werden 49.835 Renault 5 Alpine/Gordini gebaut, für die auch ein Markenpokal ausgetragen wird
1978: Beim Pariser Salon debütiert der Renault 5 Turbo mit vor der Hinterachse platziertem Triebwerk, dies zunächst als Prototyp, der aber später in Serie geht
1979: Im September präsentiert Renault auf der IAA Frankfurt die Faceliftversion des Renault 5. Neu ist die fünftürige Version des Renault 5 mit um sechs Zentimeter verlängertem Radstand
1980: Vorstellung der Serienversion des Renault 5 Turbo mit 160 PS starkem Mittelmotor und Hinterradantrieb als Basismodell für eine WRC-Version, die ab 1981 in der Rallye-WM startet und in Produktion geht
1983: Der Renault 5 überschreitet die Produktionszahl von fünf Millionen Einheiten. Außerhalb Frankreichs wird der Kleinwagen in 11 Ländern in Lizenz gefertigt
1984: Die zweite Generation des Renault 5 feiert als Supercinq (,,Super 5" ) Weltpremiere auf dem Pariser Salon. Der Supercinq ist mit platzsparend quer eingebauten statt wie bisher längs montierten Motoren ausgestattet. Verantwortlich für das Design des Supercinq ist Marcello Gandini, legendär durch seine Lamborghini- und Maserati-Entwürfe. Die erste Generation des Renault 5 bleibt allerdings vorerst weiterhin lieferbar. Die Renault-Gesamtproduktion geht um 292.000 Einheiten zurück, Renault schreibt rote Zahlen und verzeichnet die höchsten Verluste der bisherigen Unternehmensgeschichte
1985: Im Januar feiert die zweite Generation des Renault 5 als Drei- und Fünftürer ihre Markteinführung bei den deutschen Händlern. Auf dem Genfer Salon debütiert der Maxi Turbo als Homologationsfahrzeug für die Gruppe B im Rallyesport. Der Renault 5 GTL (Supercinq) wird als einer der ersten Kleinwagen auf ausgewählten Märkten wie Deutschland mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator lieferbar. Neu ist auch eine Dieselmotorisierung im Renault 5 (Supercinq). Spitzenversion ist der Renault 5 GT Turbo mit 85 kW/115 PS. Ragnotti siegt bei der Rallye Tour de Corse mit einem 300 kW/408 PS starken Renault 5 Turbo 2 Maxi. Der finanzielle ,,Gesundheitszustand" von Renault wird von Staatspräsident François Mitterrand als ,,ernstes Problem" bezeichnet
1986: Die Dieselversionen des Renault werden in Deutschland lieferbar. Der Kleintransporter Renault 5 Rapid tritt die Nachfolge des Renault 4 Rapid bzw. Fourgonette an. Der Brüsseler Karossier EBS präsentiert ein Renault 5 Cabrio ohne Überrollbügel, das jedoch nur in Einzelstücken produziert wird. Neu im Programm ist außerdem der Renault 5 GTE. Im Juni endet die Produktion des Renault 5 der ersten Generation. Der Renault 5 ist meistverkauftes Auto in Frankreich, überholt den Peugeot 205, und bleibt auch im Folgejahr die Nummer eins. 1987 erzielt Renault wieder Gewinne, erstmals seit 1981 Â
1987: Der Renault 5 Campus startet als neue Einstiegsversion der Supercinq-Generation
1988: Der Spitzentyp Renault 5 GTE ergänzt die Palette. Mit geregeltem Katalysator ist er ab 1989 im Renault-elf-Pokal im Einsatz
1989: Nun verfügen alle Renault 5 über einen geregelten Drei-Wege-Katalysator. Sieg eines Renault 5 GT Turbo bei der Rallye Elfenbeinküste
1990: Produktionseinstellung des Renault 5 in den französischen Werken, weiterhin produziert wird der Renault 5 in Valladolid/Spanien bis Juli 1994
1991: Auch nach dem Debüt des Renault Clio (1990) und Twingo (1992) bleibt der Renault 5 mit vier Motoren und allen Karosserievarianten im Programm
1994: Mit der Einstellung der zuletzt ausschließlich gefertigten Dieselversionen verabschiedet sich der Renault 5. Auf dem Heck tragen die letzten Renault 5 den Schriftzug ,,Bye Bye". Insgesamt wurden 9.008.912 Einheiten in 22 Jahren produziert, davon 5.544.695 Einheiten der ersten Renault-5-Generation (1971-1986) und 3.464.217 Einheiten der zweiten Renault-5-Generation (1984-1994)
1996: Jetzt endet die Fertigung des Renault 5 auch im slowenischen Nova Mesto
2021: Renault präsentiert das elektrische Concept Car Renault 5, das die Konturen des Klassikers in die Moderne führt und u.a. auf der IAA Mobility in München auf dem Renault-Stand ausgestellt wird
2024: Renault feiert den 50. Geburtstag des Renault 5 Supercinq passgenau zum Marktstart des neuen elektrischen Renault 5, der die Formen des direkten Vorgängers Supercinq neu interpretiert. Marcello Gandini, Designer des Supercing verstirbt im Frühjahr und Renault widmet ihm einen Nachruf mit den Worten: ,,Merci Maestro" Â
Motorisierungen:
Renault 5 C Supercinq (1984-1991) mit 1,0-Liter-Vierzylinder-Motor (30 kW/41 PS)
Renault 5 L/TL/Campus Supercinq (1984-1992) mit 1,1-Liter-Vierzylinder-Motor (33 kW/45 PS)
Renault 5 GTL Supercinq (1984-1991) mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Motor (43 kW/59 PS bzw. 44 kW/60 PS)
Renault 5 GTR/GTS/TSE Supercinq (1984-1991) mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Motor (52 kW/71 PS)
Renault 5 GT Turbo Supercinq (1984-1990) mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Motor (85 kW/115 PS)
Renault 5 TD/GTD/SD Supercinq (1985-1994) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Diesel (40 kW/55 PS)
Renault 5 GTR Supercinq (1987-1990) mit 1,4-Liter-Vierzylinder-Motor (44 kW/60 PS)
Renault 5 GTX Supercinq (1987-1992) mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Motor (64 kW/87 PS)
Renault 5 GTE Supercinq (1986-1990) mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Motor (69 kW/94 PS)