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30 Jahre Mazda Xedos - Extravaganz mit X-Faktor

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Mit der Limousine Xedos 6 lancierte Mazda im Juni 1993 seine Luxuslinie Xedos in Deutschland, der Xedos 9 folgte 1993 Foto: Mazda

Diese Japaner trauen sich etwas: Heute sind es neue Wankelmotoren und Sechszylinder, mit denen Mazda dem Elektro-Hype trotzt und nach den Premiumsternen greift. Vor 30 Jahren gab es schon einmal Luxus made by Mazda: Die Xedos-Modelle waren ihrer Zeit weit voraus und fuhren dennoch ins Abseits. 

Resilienz, diese Kraft, Belastungen auszuhalten und zugleich kühne Wege in die Zukunft zu wagen, ist in krisenhaften Zeiten wie heute besonders gefragt. Mit Resilienz lassen sich auch Rückschläge überwinden, die speziell ingenieurgetriebene Unternehmen wie Mazda bei revolutionären technischen Kabinettstückchen immer wieder erfahren. So wie 1969, als Mazda mit dem kurzlebigen Wankel-Coupé Luce R130 vergeblich Eingang in die Oberklasse begehrte. Nicht aufgeben, weitermachen, nach diesem Credo, nahm Mazda neuen Anlauf ins Premiumsegment, dort wo europäische Marken Maßstäbe setzten. Und tatsächlich schien Mazda vor 30 Jahren mit den Limousinen Xedos 6 und 9 den X-Faktor gefunden zu haben, jenen laut Management-Lehrbüchern nicht kopierbaren Wettbewerbsvorteil. Jedenfalls feierten die Fachmedien die neuen ,,Japan-Jaguar" als Meisterwerke der Formgestaltung und technischer Avantgarde. Dazu gab es auch Grund, denn der 4,56 Meter lange Xedos 6 fuhr als Crossover zwischen Coupé und Limousine seiner Zeit voraus und setzte mit laufruhigem Downsizing-V6 Maßstäbe. Ebenfalls eigenständige Oberklasse-Couture bot ab Januar 1993 der 4,80 Meter lange Xedos 9, der unter der Haube überdies mit einem 2,3-Liter-V6 mit Miller-Cycle-Technik glänzte. Pionierleistungen, die besonders in Deutschland Aufsehen erregten, allein hier erzielten die exklusiven Luxusliner aus Hiroshima Achtungserfolge.

Mit individuellem Auftritt ohne Imponiergehabe, elegant und mit spektakulärer Antriebstechnik, so sollten die Xedos-Luxusliner vor 30 Jahren in den Schauräumen exklusiver Mazda ,,Plus-X" Händler ein paar Premium-Sterne vom Himmel holen. Eine erfüllbare Mission, glaubten die Mazda-Manager im rheinischen Leverkusen noch beim leicht verspäteten deutschen Medien- und Marktlaunch des Xedos 9 im Herbst 1993. Schließlich hatte schon zehn Jahre zuvor der Mittelklassetyp Mazda 626 demonstriert, welche Premium-Talente in den fernöstlichen Volumenmodellen schlummern: Als erster Japaner schlug ein preiswerter 626 im Vergleichstest den prestigieusen Mercedes 190, und in den Verkaufszahlen übernahm der Mazda 626 prompt eine Führungsrolle im Importsegment. Dieser Erfolg wurde durch den Mazda 323 in der Kompaktklasse ausgebaut, und so konnte Mazda Deutschland 1990 zum ersten Mal ein Jahresergebnis von mehr als 100.000 Einheiten nach Hiroshima melden.

In jenem Jahr der deutschen Wiedervereinigung sondierten die Japaner gerade ihre Chancen im Projekt Eunos für Europa, denn das neue Nobel-Label Eunos sollte sich ein Stück von der hochprofitablen Luxustorte abschneiden, besonders mit den Limousinen 500 und 800. Hinzu kam das Coupé Eunos Cosmo, dieser bahnbrechende Zweitürer überraschte mit der global ersten modernen GPS-Navigation mit Touchscreen-Display und dem weltweit ersten Drei-Scheiben-Wankel, der es sogar mit dem neuen V12 im BMW 850i aufnehmen konnte. Ihre neuen Premium-Botschafter testeten die Japaner auf deutschen Autobahnen, und sie beauftragten Manfred Gotta, den deutschen Guru unter den Markenmachern, mit einer Namensfindung speziell für die Märkte der Alten Welt. Ein Kunstwort sollte es sein, das vom X-Faktor sowie von Luxus, Lifestyle und Exklusivität kündete. X wie Xedos, ersann Manfred Gotta daraufhin, und dieser Schriftzug schmückte fortan das von Eunos 500 und 800 in Xedos 6 und Xedos 9 umgebadgte Limousinen-Duo während das Cosmo Coupé dem Heimatmarkt vorbehalten blieb.

Schon der Xedos 6 brachte fast alles mit, was für Prestigemodelle im Revierkampf mit den deutschen Platzhirschen, aber auch mit Saab 900, Volvo 850 oder Lancia Thema unverzichtbar war. Etwa eine Qualitätsanmutung, die sogar den 1993 frisch inthronisierten VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch beeindruckt haben muss. Piëch, von seinen Fans liebevoll ,,Fugen-Ferdi" genannt, war bekannt dafür, kompromisslose Qualität an kleinen Spaltmaßen zu messen, und da lieferten die Xedos-Limousinen nun neue Referenzwerte. Die Karosseriespaltmaße waren um bis zu einem Drittel schmaler als bei herkömmlichen Mittelklassemodellen, hinzu kamen bündig eingesetzte Scheiben und neuartige Türdichtungen, die Wind- und Fahrgeräusche auf das Niveau mindestens doppelt so teurer deutscher Luxustypen reduzierten. Gleiches galt für die Laufruhe des bis zu 106 kW/144 PS leisteten 2,0-Liter-V6-Benziners im Xedos 6, der Oberklasse-Noblesse mit Motoren-Downsizing verband. Vibrationsarm wie eine Turbine lief dieses Triebwerk und bestand nach Journalistenmeinung sogar den legendären Münztest: Stellte man eine Münze hochkant auf den Motor, fiel diese nicht um. Ein kurzhubiger, kleinvolumiger V6 aus Alu, der im Duell mit Mercedes C-Klasse, Audi A4 auch durch Effizienz auffiel: 6,0 Liter Normverbrauch bei 90 km/h waren sensationell - und auch dem Leergewicht des Xedos von nur 1.190 Kilogramm zu verdanken, so wenig wie heute ein kleiner VW Polo auf die Waage bringt.

Was dem Xedos trotzdem fehlte, war ein Dieselmotor, damals unerlässlich für Erfolge im Dienstwagengeschäft. Stattdessen legten die Japaner im Xedos 6 mit einem billigen 1,6-Liter-Vierzylinder nach - und zündeten im Flaggschiff Xedos 9 im Jahr 1995 ein besonderes Leuchtturmprojekt des Motorenbaus. Der weltweit erste 2,3-Liter-V6-Miller-Cycle-Motor, benannt nach dem Erfinder Ralph Miller, sorgte mit länger geöffneten Einlassventilen und Comprex-Druckwellenlader für eine bessere Leistungseffizienz, geringeren Verbrauch und weniger Emissionen als bei herkömmlichen Verbrennern. Tatsächlich begnügte sich der Xedos 9 V6 mit nur 6,3 Litern bei Tempo 90. Aber an beeindruckender Drehmomentstärke über ein breites Band, so wie beim gleichfalls neuen Mercedes 2,3-Liter-Kompressormotor festzustellen oder beim Saab 2,3-Liter-Turbo-Triebwerk, fehlte es dem Mazda. Überdies war der in unaufdringlicher Eleganz gezeichnete Mazda mit Miller-Cycle teurer eingepreist als die Konkurrenten Mercedes E280 und BMW 528i und nicht mehr weit entfernt vom staatstragenden Audi A8.

Da blieb dann die erhoffte große Publikumsresonanz auf das teure Miller-Prinzip aus, weshalb Mazda diesen Motor mit dem ersten großen Facelift des Xedos 9 einstellte und stattdessen auf die konventionelle Kraft eines 2,5-Liter-V6 vertraute. So lag es bei den Xedos-Modellen ähnlich wie beim Wettbewerb vor allem an der verführerischen Verpackung: ,,Tokimeki" (Japanisch für ,,Herzklopfen") sollte laut Mazda Marketing endgültig die Kaufentscheidung auslösen. Das genügte jedoch nicht, die anfangs postulierten Absatzziele verfehlten die Premium-Mazda sogar in Deutschland als größtem Markt um 75 Prozent, bis Mazda 2003 für Xedos endgültig die Reißleine zog. Noch früher endete übrigens das Eunos-Experiment in Asien.

Wer nun denkt, das war's mit Experimenten bei Mazda, der irrt. Es ist der Mut, neue Wege zu wagen, der die Welt vorantreibt. Aufgeben gilt bei technologieverliebten Marken nicht, und so kommt 2023 der längst totgeglaubte Mazda-Wankel im kompakten MX-30 wieder, während der Mazda CX-60 dann mit neuen Sechszylindern gegen den Zeitgeist der Elektrifizierung fährt.



Chronik:
1969: Mazda lanciert das exklusive Hardtop-Coupé Luce R130 mit Frontantrieb und Zwei-Scheiben-Wankelmotor. Das als ,,Lord of the Road" beworbene Premiummodell fährt in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings im Windschatten des Cosmo Sport 110 S
1971: Nach nur gut zwei Jahren läuft die Fertigung des wenig erfolgreichen Luce R130 aus
1989: Mazda etabliert Eunos als neue Premiummarke für Japan, Australien und die Märkte der Asean-Staaten. Eunos-Spitzenmodell ist der Cosmo, ein Luxus-Coupé mit weltweit erstem Drei-Scheiben-Kreiskolbenmotor und 206 kW/280 PS Leistung. Der Export des Cosmo wird auch für andere Märkte erwogen
1990: Im Februar geht der Eunos Cosmo in Serienfertigung, dies auch mit Zwei-Scheiben-Wankelmotor in Basisversion. Testfahrten von Vorserienmodellen des Eunos 500 bzw. Xedos 6 auch über deutsche Straßen
1991: Ende des Jahres debütiert der Xedos 6 in Japan als Eunos 500
1992: Mit der Limousine Xedos 6 lanciert Mazda im Juni seine Luxuslinie Xedos in Deutschland. Anfangs einziger Motor für den deutschen Markt ist ein 2.0-Liter-V6-Benziner. Den Anspruch auf die gehobene Fahrzeugklasse des Xedos 6 sollen serienmäßiges ABS und Fahrerairbag unterstreichen. Die Preisliste für den Xedos 6 2.0i V6 beginnt bei 42.970 Mark
1993: Im Januar feiern die Flaggschiffmodelle Xedos 9 bzw. Eunos 800 Weltpremiere. Im November Markteinführung des Xedos 9 in Deutschland als designierter Nachfolger des Mazda 929. Die Preise für den Xedos 9 mit 2.0i V6 starten bei 49.950 Mark, der Xedos 9 mit 2.5i V6 kostet mindestens 54.850 Mark

1994: Im April Einführung eines 1,6-Liter-Vierzylinders als Basismotorisierung für den Xedos 6. Im August Leistungsreduzierung für alle Motoren im Xedos 6 zugunsten besserer Abgaswerte, außerdem werden die neuen Ausstattungslinien Basis und Business eingeführt. Technische Modifikationen an Lenkung und Fahrwerk runden die Modellpflege für den Xedos 6 ab
1995: In Nordamerika wird der Xedos 9 nun als Mazda Millenia verkauft. Im September läuft das Eunos Cosmo Coupé nach 8.875 Einheiten aus. Neu in Europa ist eine serienmäßige Wegfahrsperre bei allen Xedos Modellen. Im Oktober ergänzt der Xedos 9 mit weltweit erstem in Serie gebauten 2,3-Liter-V6-Miller-Cycle-Motor das Portfolio
1996: Das Eunos-Vertriebsnetz wird aufgelöst. Ab August ist der Beifahrerairbag serienmäßig im Xedos 6
1997: Im November Rückrufaktion für den Xedos 6 wegen möglichen Rostbefalls an vorderen Fahrwerksfedern. In den Preislisten steht der Xedos 6 1.6i nun mit mindestens 37.950 Mark, der Xedos 6 2.0i V6 kostet ab 45.650 Mark. Das Mazda-Spitzenmodell Xedos 9 kostet als 2.0i V6 ab 51.200 Mark, als 2.5i V6 ab 58.100 Mark und als 2.3i V6 Miller Cycle ab 72.850 Mark
1998: Im November erfolgt eine Straffung des Modellangebots beim Xedos 6. Ab sofort gibt es nur noch den V6-Motor und dies mit den Ausstattungslinien Business und Exclusiv
1999: Im September erfolgt der Produktionsauslauf für den Xedos 6 nach weltweit nur 72.101 Einheiten. Hauptabsatzmarkt war Deutschland
2000: Im Oktober kommt es zur Straffung des Angebots beim Xedos 9. Ab sofort ist nur noch der Xedos 9 2.5i V6 lieferbar, dies in einer Faceliftversion mit neuer Frontgestaltung, überarbeitetem Fahrwerk und erweiterter Interieurausstattung
2002: In seinem letzten kompletten Produktionsjahr kostet der Xedos 9 2.5i V6 ab 32.700 Euro
2003: Im Januar läuft die Produktion des Xedos 9 aus
2023: Nachdem die ersten Xedos 6 bereits im Vorjahr Kandidaten für ein amtliches H-Kennzeichen wurden, erreicht nun auch der Xedos 9 das Oldtimeralter von 30 Jahren. Mazda und die Community erinnern an das Jubiläum, das Museum Mazda Classic in Augsburg präsentiert die automobilen Jubilare mit dem Xedos-Signet. Mazda will sich mit dem CX-60 und neuen Reihen-Sechszylindern höher positionieren. Der vollelektrische Mazda MX-30 startet mit seriellem Hybridantrieb mit Wankelmotor

Wichtige Motoren:
Mazda Xedos 6 2.0i V6 (Juni 1992 bis August 1994) mit 2,0-Liter-V6-Benziner (106 kW/144 PS);
Mazda Xedos 6 1.6i (April 1994 bis August 1994) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (83 kW/113 PS);
Mazda Xedos 6 1.6i (August 1994 bis September 1999) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (79 kW/107 PS);
Mazda Xedos 6 2.0i V6 (August 1994 bis September 1999) mit 2,0-Liter-Sechszylinder-Benziner (103 kW/140 PS);
Mazda Xedos 9 2.0i V6 (November 1993 bis Oktober 2000) mit 2,0-Liter-V6-Benziner (105 kW/143 PS);
Mazda Xedos 9 2.3i V6 Miller Cycle (Oktober 1995 bis Oktober 2000) mit 2,3-Liter-V6-Benziner (155 kW/210 PS);
Mazda Xedos 9 2.5i V6 (November 1993 bis Oktober 2000) mit 2,5-Liter-V6-Benziner (123 kW/167 PS);
Mazda Xedos 9 2.5i V6 (Oktober 2000 bis Januar 2003) mit 2,5-Liter-V6-Benziner (120 kW/164 PS).

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