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Tradition: 50 Jahre Audi 50 - Wie ein kleiner Bayer Wolfsburg groß herausbrachte

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Neuerfindung des Kleinwagens - Der bahnbrechend moderne Audi 50 (links) debtierte vor 50 Jahren und lieferte die Vorlage fr den ersten VW Polo (rechts). Foto: autodrom

Es war ein Audi, der den VW Käfer aufs Altenteil schob. Vor 50 Jahren endete in Wolfsburg die Produktion dieses Wirtschaftswunderautos, denn ein neuer Superstar brauchte Platz. Audi präsentierte das Modell 50 als modernen Kleinwagen made in Wolfsburg, hinzu kam ein Zwillingsmodell: der VW Polo.

Diese Null veränderte vor 50 Jahren die Kleinwagenwelt. Denn hinter dem internen Typencode A-Null steckte der Audi 50 und damit das erste deutsche Mini-Car moderner Bauart. Vor allem aber lieferte Ingolstadts kleinster Fronttriebler die Vorlage für den bis heute größten City-Flitzer-Erfolg aus Wolfsburg, den über zehn Millionen Mal verkauften Volkswagen Polo.

Es musste schnell und kostengünstig gehen, damals im Jahr 1974, als sich die Wirtschaft nur langsam von der Ölkrise erholte, und der VW-Konzern mit leeren Kassen sein komplettes Modellprogramm erneuerte. Die tollen Käfer-Jahre des Wirtschaftswunders waren vorüber, aber der neue Golf als cleverster Kompakter setzte sich schon im August 1974 an die Spitze der deutschen Zulassungscharts, und der ebenfalls frische VW Passat - konstruktiv abgeleitet vom Audi 80 - folgte auf Platz 3.

Was jetzt noch im VW-Programm fehlte, war ein Frontantriebs-Kleinwagen nach Vorbild von Fiat oder Renault. Wie schon beim Duo Audi 80/VW Passat entsprang das Konzept für diesen innovativen Kleinen der Ingolstädter Denkfabrik des Audi-Technikvorstands Ludwig Kraus. Als 3,49 Meter kurzer, aber laut Werbung fünfsitziger, fein ausstaffierter Audi 50 ließ der Premium-Mini etablierte Platzhirsche wie Fiat 127 oder Renault 5 in Vergleichstest der Fachpresse schlagartig alt aussehen. Der eigentliche Coup folgte noch: Der Audi 50 brachte einen preiswerteren Zwilling mit, den ersten Polo. Damit avancierte VW zur neuen Macht im Mini-Car-Segment.

Zuvor aber killten die beiden Kleinsten im Konzern erst einmal den bis dahin größten Volkswagen aller Zeiten: Die Käfer-Produktion im Stammwerk Wolfsburg wurde zugunsten von Audi 50 und Polo eingestellt und an andere, kleinere Standorte verlagert. Gewürdigt wurde dieser Einschnitt im VW-Geschäftsbericht 1974: ,,Insgesamt 11.916.519 Wagen dieses Typs (,,Käfer") wurden insgesamt in Wolfsburg gebaut... die Voraussetzungen für die Fertigung des Golf und des Audi 50 wurden geschaffen... Dazu musste in erster Linie die Produktion des Käfers verlagert werden." Eine weitsichtige Entscheidung, wie die Rekordverkaufszahlen des Golf zeigten, aber auch der Polo hat heute schon fast die Wolfsburger Käfer-Zahl erreicht. Der ersten Produktionsmillion näherte sich der Polo noch als Parallelmodell zum Audi 50, dessen Fertigung im Sommer 1978 nach exakt 180.828 Exemplaren endete. Fortan musste sich Audi auf höhere Klassen konzentrieren, erst 1999 mit dem aerodynamisch bahnbrechenden Aluminium-Modell A2 durfte sich Audi eine kurze Rückkehr ins kleine Segment erlauben, ehe 2010 der A1 als frischer Plattformbruder des Polo startete.

Seine Pressepremiere feierte der Audi 50 im Sommer 1974 auf Sardinien an der Costa Smeralda, einem Hot Spot der Schönen und Reichen. Schließlich handelte es sich beim Audi 50 laut Presse-Information um einen ,,Luxuswagen der Kompaktklasse... Mit seinem modischen Chic, der exklusiven Innenausstattung, seinem gleichermaßen komfortablen wie sportlichen Fahrverhalten... bereichert er die Palette der Audi-Erfolgsmodelle um einen betont kompakten Komfortwagen." Dazu passten die beiden 1,1-Liter-Vierzylinder mit 37 kW/50 PS oder 44 kW/60 PS. Das war mehr Leistung als alle Wettbewerber bereithielten, und sogar Volkssportler wie VW Scirocco, Ford Capri oder Opel Manta waren in ihren Basisversionen nicht kräftiger. Und die 13,5 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 entsprachen sogar dem Temperament starker Sechszylinder-Typen wie dem Ford Granada 2.3, aber auch das exklusive NSU-Wankel-Flaggschiff Ro 80 war nicht flotter.

Apropos NSU: Mit seinem Power-Output erwies sich der Audi 50 zugleich als würdiger Nachfolger der Anfang der 1970er eingestellten, giftigen NSU-Heckmotor-Prinzengarde, die mit TT/TTS-Signets viele Berg- und Rundstrecken dominiert hatte.  Bereits im Winter 1974 beauftragte Audi NSU den Duisburger Tuningspezialisten Rolf Nothelle, einen Audi 50 Racer aufzubauen, der dem Gruppe-2-Reglement entsprach. Prompt räumten Nothelle-Piloten - oft mit NSU-TTS-Erfahrung - mit dem auf 96 kW/130 PS erstarkten und fast 200 km/h flotten Audi 50 Siege in Serie ab.

Im Alltag waren es natürlich andere Faktoren, die den kleinsten Audi zu einem der meistgefahrenen Minis der Mittsiebziger machten, damals als Beckenbauer & Co Fußball-Weltmeister wurden, der Münchner ,,Kommissar", alias Erik Ode, im TV-Krimi-Duell bessere Quoten holte als New Yorks neuer Lieutenant ,,Kojak", alias Telly Savalas, und Bundeskanzler Willy Brandt sein Amt an Helmut Schmidt abgab. Auf Autobahnen ersetzte Tempo 130 als Richtgeschwindigkeit das Ölkrisen-Tempolimit von 100 km/h, trotzdem sank die Zahl der Verkehrstoten deutlich gegenüber dem Vorjahr. Das Anlegen des Sicherheitsgurts war noch keine Pflicht, obwohl seine lebensrettende Wirkung längst unstrittig war, und so störte es die Fachmedien nicht, dass die Aufrollautomatik der Gurte im Audi 50 mit 57 Mark, Automatikgurte hinten sogar mit 97 Mark extra berechnet wurden.

Im Gegenteil, der Audi galt als serienmäßig luxuriös ausstaffiert, speziell im Vergleich zu seinem VW-Zwilling Polo, der ohne Tankanzeige, feine Teppiche, Chromleisten, dafür mit nackten Blechflächen vorfuhr. Mit diesem Schick schoss der Audi 50 Anfang 1975 an die Spitze der Verkaufscharts in der Kategorie Kleinwagen, und auch den billigeren Polo übertraf der Bayer im ersten Jahr. Eine Popularität, die auch den poppigen Farben und italienisch klar anmutenden Formen des innerhalb von nur drei Jahren finalisierten langstreckentauglichen Stadtautos zu verdanken war. Rot, Gelb und Grün waren die Lieblingsfarben der Autokäufer in den Pril-Blumen-bunten 1970ern, und die Audi-Designer ritten auf dieser Trendwoge mit Lackierungen in Phönixrot, Rallyegelb, Cadizorange und Cilffgrün sowie edlen Metallic-Tönen à la Viperngrün, Hellas oder Ancona.

Ab 1977 war übrigens auch die konservativ gehaltene, zweitürige Stufenheckvariante VW Derby in ähnlich lebensfrohen Farben verfügbar. Entwickelt worden war der Derby gleichfalls in Ingolstadt, dort, wo Helmut Warkuß zuerst den Audi in elegante Kanten gebracht hatte. Wie Warkuß später erklärte, orientierte sich die Formensprache des Modells 50 am größeren Audi 80, ergänzt um eine Dosis Italianità, die der Audi-Chefkonstrukteur Ludwig Kraus schätzte. Es lag an Bertone-Mitarbeiter Marcello Gandini, die bereits freigegebenen 1:1 Modelle des Cityflitzers zu überarbeiten. Das tief positionierte Rückfenster in der Heckklappe und die nach oben verlaufende, hintere Seitenlinie entstammen Gandinis Zeichenstift, dagegen sind die billigen Rundscheinwerfer im Grill statt der zuerst angedachten Rechteckleuchten ein Zugeständnis an den Rotstift. Weniger ist mehr, das galt damals auch für die strengen und klaren Konturen des Audi 50, der gemeinsam mit Polo und Golf den Käfer beerbte. Auch wenn der Audi 50 seit 46 Jahren Geschichte ist, für seine Fans ist er bis heute unvergessen: Zu erleben ist dies 2024 bei den zahlreichen Geburtstagspartys, die anlässlich seines Goldjubiläums gefeiert werden.        



Chronik:
1968: Erste Überlegungen für einen Mini-Audi, zugleich wird bei NSU an Nachfolgern für die Heckmotor-Modelle Prinz 4/TT und 1200 gearbeitet
1969: Die Auto Union GmbH und die NSU Motorenwerke AG verschmelzen zur Audi NSU Auto Union AG. Das Mittelklassemodell NSU K70 wird kurz vor der Publikumspremiere beim Genfer Automobilsalon zurückgezogen, aber das Kleinwagen-Projekt K50 läuft weiter
1971: In Ingolstadt entsteht ein neues technisches Entwicklungszentrum, in dem Nachfolger für die antiquierten NSU-Heckmotor-Modelle (NSU Prinz 4/TT/1200) konzipiert werden. Das Entwicklungsprojekt A-Null, der künftige Audi 50, kommt in Fahrt
1972: Die NSU-Heckmotormodelle laufen bis auf den Zweizylindertyp Prinz aus. Der Audi 80 (Typ 82, B1) wird mit zukunftsweisendem technischem Konzept in die Serienproduktion geführt, ein Jahr später debütiert der bis zur B-Säule fast baugleiche erste Volkswagen Passat (B1)  
1973: Mit dem Produktionsende des NSU Prinz 4 gibt es keine Kleinwagen mehr aus deutscher Fertigung. Die Entwicklung des Audi 50 (A-Null, Typ 86) schreitet in Ingolstadt voran, gleichzeitig wird eine Volkswagen-Variante unter dem Code EA 329 finalisiert; die Produktion des Kleinwagen-Doppels soll in Wolfsburg auf einem gemeinsamen Fließband erfolgen. Das Design des Audi 50 wird unter der Verantwortung von Helmut Warkuß realisiert, allerdings wird auch die Carrozzeria Bertone mit Marcello Gandini in das Kleinwagen-Projekt eingebunden. Die Entwicklung des Audi 50 ist das finale Projekt des legendären Audi-Chefkonstrukteurs Ludwig Kraus, der zum Jahresende 1973 in den Ruhestand geht  
1974: Im Sommer wird der 3,49 Meter lange und 685 Kilogramm leichte Audi 50 den internationalen Medien bei einer Fahrveranstaltung auf Sardinien präsentiert. Der Audi 50 trifft auf internationale Frontantriebs-Konkurrenten wie Autobianchi A112 (seit 1969), Fiat 127 (seit 1971), Honda Civic (seit 1972), Innocenti Mini (seit 1965 bzw. seit 1974 mit zweiter Modelllinie), Mini Clubman/1275 GT (seit 1969), Peugeot 104 (seit 1973) und Renault 5 (seit 1972). Im September erfolgt die Publikumspremiere des Audi 50 LS mit 37 kW/50 PS (Preise ab 8.195 Mark) und des Audi 50 GL mit 44 kW/60 PS (Preise ab 8.510 Mark). Der Serienanlauf startet im Wolfsburger VW-Werk. Offizieller Tag der offenen Tür bei den Audi-Händlern mit Kundenpremiere für den Audi 50 ist der 26. Oktober. Der Audi 50 soll nur auf dem europäischen Markt vertrieben werden
1975: Gleich zwei Preiserhöhungen in einem Jahr lassen den Audi 50 LS nun ab 8.995 Mark und den Audi 50 GL ab 9.340 Mark kosten. Dennoch erzielt der Audi 50 mit über 84.000 produzierten Einheiten sein erfolgreichstes Jahr. Seit März ist der Volkswagen Polo als einfacher ausgestatteter Zwillingsbruder des Audi 50 zu Preisen ab 7.500 Mark lieferbar. Dafür gibt es den Polo mit 29 kW/40 PS leistendem 0,9-Liter-Vierzylinder und dezidiert einfacher Ausstattung, das heißt ohne Tankuhr, Heckablage und mit Gummimatte statt zentralem Bodenteppich
1976: Zum Jahresbeginn entwickelt die Ingolstädter Versuchsabteilung einen Motorrad-Prototyp mit quer eingebautem Audi-50-Motor (60 PS), der aber nicht öffentlich vorgestellt wird. Das Audi-Motorrad zielte gegen Konkurrenten wie Münch mit NSU-1200-TTS-Motor, Honda, Kawasaki, Moto Guzzi, MV Agusta und Yamaha. Im August ersetzt die neue Ausstattungslinie Audi 50 GLS (Preise ab 10.160 Mark) den bisherigen 50 GL. Der Audi 50 LS kostet nun ab 9.525 Mark und kann optional auch mit dem stärkeren 60-PS-Motor bestellt werden. Der VW Polo ist jetzt ebenfalls in 50- und 60-PS-Versionen lieferbar. Neu im Konkurrenzumfeld des Audi ist der Ford Fiesta. 55.536 Audi 50 werden produziert, dagegen stehen 144.739 VW Polo
1977: Im Modelljahr 1977 wird der Schriftzug ,,Audi 50" von der rechten auf die linke Seite des Fahrzeughecks geschoben, für Fans ein wichtiges Differenzierungskriterium bei der Baujahrdefinition. Ein hubraumgrößerer 1,3-Liter-Vierzylinder mit 44 kW/60 PS ersetzt in Audi 50/VW Polo ab August das nominell gleichstarke, bisherige 1,1-Liter-Aggregat. Seit Februar gibt es den VW Polo auch mit Stufenheck als Derby - noch ein Derivat, das vom Audi 50 abgeleitet wurde und bereits im Ingolstädter Entwicklungszentrum konzipiert wurde
1978: Im Mai letzte Preiserhöhung auf 10.360 Mark für den Audi 50 LS und 11.170 Mark für den Audi 50 GLS. Im Juli Produktionsauslauf für den Audi 50 nach 5.213 Einheiten im letzten Jahr. Insgesamt wurden 180.828 Einheiten des Audi 50 ausgeliefert
1981: Der Volkswagen Polo als verbliebener Vertreter der Baureihe Typ 86 wird im September durch den Polo II mit Steilheckkarosserie abgelöst
1999: Audi meldet sich mit dem futuristisch gezeichneten A2 im Kompaktklasse-Segment zurück, allerdings erfüllt der A2 nicht die Verkaufserwartungen
2010: Der kompakte Audi A1 wird als neues Einstiegsmodell der Marke vorgestellt und teilt die Plattform PQ25/A05 dabei mit dem Volkswagen Polo
2024: Audi feiert das 50-Jahre-Jubiläum seines ersten modernen Kleinwagens mit verschiedenen Aktionen bei Oldtimerrallyes, aber auch bei Messen wie der Techno Classica Essen wird der runde Geburtstag des Audi 50 von der Community gewürdigt. Derweil hat Volkswagen die Produktion des Polo im spanischen Werk Pamplona nach 8,4 Millionen Einheiten bzw. über zehn Millionen Gesamtauflage eingestellt, der Kleinwagen kommt künftig nicht mehr aus europäischer Fertigung, sondern aus Südafrika.

Produktionszahlen:
Insgesamt 180.828 Audi 50 (1974 bis 1978),
davon 22.136 Einheiten im Jahr 1974, 84.343 Einheiten im Jahr 1975, 53.536 Einheiten im Jahr 1976, 15.584 Einheiten im Jahr 1977 und 5.213 Einheiten im Jahr 1978.

Wichtige Motorisierungen:
Audi 50 LS mit 1,1-Liter-Vierzylinder-Benziner (37 kW/50 PS), Vmax 142 km/h;
Audi 50 LS/GLS mit 1,1-Liter-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS), Vmax 152 km/h;
Audi 50 GLS mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (44 kW/60 PS), Vmax 152 km/h;
Audi 50 Nothelle Rennsport mit 1,3-Liter-Vierzylinder-Benziner (96 kW/130 PS), Vmax 195 km/h

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