
Vor 75 Jahren lief der erste Porsche 356 in Zuffenhausen vom Band. Was einst ein stilles Dorf war, wurde zur Legende – und zum Herz einer Marke.
Über Jahrhunderte hinweg war Zuffenhausen ein verschlafenes Dorf nahe Stuttgart. Im Zuge der im 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung wurde es für Industrieansiedlungen zunehmend interessanter. 1931 folgte zudem die Eingemeindung, die aus dem Dorf einen äußeren Stadtteil von Stuttgart machte. Und damit könnte die Geschichte enden – wenn da nicht Porsche wäre. Vor genau 75 Jahren startete der Sportwagenhersteller in Zuffenhausen seine Autoproduktion. Zunächst in kleinen Hallen, die sich im Lauf der Jahrzehnte zu einem modernen Industriekomplex auswuchsen. Der Name des kleinen Dorfs wurde zum Synonym für automobile Leidenschaft – und zur Geburtsstätte des Mythos Porsche.
Dieser beginnt mit drei Zahlen: 356. So heißt der erste Sportwagen der Marke, dessen Produktionsstart am 6. April 1950 eine besonderes Erfolgsstory „Made in Germany“ einläutet.
Dabei war Porsche schon viel früher in Zuffenhausen aktiv – seit 1938 zunächst als Konstruktionsbüro. Die Fahrzeugproduktion unter eigenem Namen begann jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Meilenstein: der 8. Juni 1948, als der Porsche 356 „Nr. 1“ Roadster seine Betriebserlaubnis erhielt. Die ersten 52 Exemplare mit handgefertigter Aluminiumkarosserie entstanden noch in Gmünd in Österreich – eine Art rollender Prototyp für das, was bald aus Stuttgart kommen sollte.
Im Schwabenland stand das eigentliche Porsche-Werk allerdings noch unter alliierter Kontrolle. Also mietete man sich gegenüber ein – in Werk II des Karosserieherstellers Reutter. Dort entstanden Motoren und komplette Fahrzeuge, während Reutter im Gegenzug die lackierten Karosserien lieferte, zunächst aus dem Werk I im Stuttgarter Westen.
Am 6. April 1950 lief dann der erste 356 in Zuffenhausen vom Band – 316 Stück folgten im ersten Jahr. Mit ersten Erfolgen im Motorsport und wachsender Exportnachfrage nahm die Legende Fahrt auf. Und weil die Amerikaner sich mit der Freigabe von Werk I Zeit ließen, baute Porsche vorsorglich Werk II aus. Es ging Schlag auf Schlag: 1952 erweitert, 1954 noch einmal – und erst Ende 1955 kehrte man mit Entwicklung, Verwaltung und Rennsportabteilung ins Ursprungswerk zurück.
1960 kam ein weiteres Kapitel hinzu: der eigene Motorenbau im neu errichteten Werk III. 1963 übernahm Porsche schließlich das Karosseriewerk Reutter – samt knapp 1.000 Mitarbeitenden. Die Belegschaft verdoppelte sich, und noch im selben Jahr rollte ein neues Modell an den Start, das bald selbst Legendenstatus erlangte: der 911, damals noch als „901“ vermarktet.
Der 356 lief 1965 aus – über 78.000 Exemplare wurden gebaut. Doch der Nachfolger fuhr die Erfolgsspur konsequent weiter. Die Belegschaft wuchs, neue Hallen entstanden, bald auch außerhalb Zuffenhausens: in Weissach und Ludwigsburg. Der Standort entwickelte sich zum Herz der Marke – und bleibt es bis heute.
In den 80ern kamen die Frontmotor-Modelle 928, 944 und 968 hinzu. 1988 folgte Werk V mit einer 35 Meter hohen Brücke zur Karosseriefertigung – Ingenieurskunst mit Panoramablick, gewissermaßen.
Ein weiterer großer Umbruch: der Taycan. Für den ersten vollelektrischen Porsche wurde ab 2015 kräftig umgebaut. Neue Fertigungslinien, moderne Lackiererei, eigener Karosseriebau – alles innerhalb des nur einen Quadratkilometer großen Werksareals. Heute entstehen hier nicht nur der 911 und der Taycan, sondern auch V8- und Boxermotoren sowie E-Maschinen für die Stromer. Und wer es ganz individuell mag: Die Porsche Exclusive Manufaktur vor Ort erfüllt Sonderwünsche – von exklusiven Lackfarben bis zur Sitzstickerei.
Trotz neuer Werke wie in Leipzig bleibt Zuffenhausen das industrielle Herz von Porsche. Ein Mythos mit Wurzeln in Schwaben.